Neustadt-Mussbach. Der Titel seines Soloprogramms „Halt die Klappe – wir müssen reden!“ klingt ebenso paradox wie resolut. Kabarettist Frederic Hormuth präsentierte sich am Samstagabend im Mußbacher Herrenhof nicht nur redefreudig, sondern auch ausgesprochen meinungsstark. Selbstverständlich blieben die Rollen im Saal ungleich verteilt, doch das Publikum genoss sichtlich seinen Part des Zuhörens.
Dass die Meinungen in unserer pluralistischen Gesellschaft wild aufeinanderprallen, nutzt Hormuth gern für seine kabarettistischen Zwecke. Nahtlos sinniert er in die verschiedensten Richtungen, bis er ein Netz von Gedankenfäden gesponnen hat. In diesem Gespinst gilt: Wenn einer spricht, müssen die andern zuhören. Aber das läuft hier zum Glück nicht so, wie Tucholsky es einst den schlechten Rednern geraten hat. Bei Hormuth dürfen sich die Zuhörer immerhin ihre Meinung bilden und sie mit Klatschen kundtun.Rasant eilt der 1968 in Mannheim geborene Kabarettist und Musiker durch die alltäglichen Absurditäten unserer komplex gewordenen Welt mit ihren vielen aufgeweichten Maßstäben. Ob es nun um übereifrige Helikopter-Eltern, um Bioplastiktüten oder um feindliche, außerirdische Reptiloiden geht, die unerkannt unter uns sind und über uns herrschen: Hormuth braucht nur einem Gedanken „nachzugehen“, schon blickt das Publikum in abstruse Abgründe.Flugs setzt er sich ans Piano und singt zum exzellenten Tastenspiel mit energischer Heftigkeit. Mal baut er gedankliche Brücken, mal schafft er bedenkliche Raumteiler. Von skurrilen Ideen, wo die Bundeswehr überall eingesetzt werden könnte, schwenkt er sprunghaft zum ach so bedrohten Abendland. Doch manches seiner Themen und Beispiele greift der Künstler im fortlaufenden Programm nur flüchtig auf, um allzu rasch darüber hinwegzufegen. Dann bleibt für die Wirkung wenig Raum, und die Durchschlagkraft fehlt. Schade drum, denn vieles, was er andeutet, wäre es wert, näher ausgeführt zu werden.
Schärfere Konturen zeichnet Hormuth in der zweiten Programmhälfte, und das Publikum dankt ihm solche Passagen mit Gelächter und Zwischenapplaus. Amüsant ist es allemal zu hören, wie sich der Lauf der Menschengeschichte immer wieder am Mammut festmacht. Doch ob es nun um den neu aufgelegten Feuerscheit in steinzeitlicher Glut oder um das digitale Update geht: Immer gilt der Aufruf, sich zu positionieren.
Hormuth zitiert aus Günter Eichs Gedicht, dass wir Sand, nicht Öl im Getriebe der Welt sein sollen. Konsequent ermutigt er seine Zuschauer, den Meinungsmachern zu widerstehen. Freilich, die Möglichkeiten, sich abzulenken, sind vielfältiger denn je. Eindeutig kritisch lässt sich Frederic Hormuth über das Internet aus: Im virtuellen Raum gehe das Gespür fürs Gegenüber verloren, stattdessen dümple man in der eigenen Suppe.
Neben hintergründig-witzigen Anspielungen wagt der Mann auf der Bühne auch unverhohlene Schelte: Der blockierte Bus mit Flüchtlingen im sächsischen Clausnitz wird ebenso energisch gegeißelt wie die üble Meinungs- und Stimmungsmache am rechten Rand. Da verwundert es nicht, dass Hormuth immer mal wieder den Buzzer betätigen muss, der wie ein alarmierendes Notsignal durch den Saal schallt.
Die Frage bleibt, wie mit Einfalt und Meinungsmanagement umzugehen sei. Als Antwort hat Hormuth neben der Denkkraft viel Lebenslust parat. Und so lässt zuletzt das von ihm inbrünstig besungene Honigbrot süß tropfend grüßen.
Von Sigrid Ladwig