RHEINPFALZ, KULTUR REGIONAL
Von Regina Wilhelm
H. G. Butzko, der am Freitagabend in der Reihe „Kabarettissimo“ im Herrenhof zu Gast war, versteht es, sein Publikum zu verblüffen. Unter dem Motto „Echt jetzt“ streifte er nicht nur seine eigene über 20-jährige Karriere als Kabarettist, sondern nahm auch die politischen und gesellschaftlichen Veränderungen in dieser Zeit ins Visier.
Neustadt-Mussbach. „Die Zeiten haben sich geändert“, sagt Butzko und erinnert an die Comic-Serie „Die Simpsons“. Dort ist Anfang der 2000er Jahre behauptet worden, dass ein gewisser Donald Trump einmal Präsident der USA werde. „Was haben wir gelacht.“ 1997 hätte ein US-Präsident beinahe abdanken müssen wegen seines Verhältnisses mit einer Praktikantin. Heute sei einer dran, „der sich damit brüstet, jeder Frau in den Schritt fassen zu können“. Und wer hätte 1998 gedacht, dass mit Gerhard Schröder zum letzten Mal ein Sozialdemokrat Kanzler wird?
Der politische Parforce-Ritt geht weiter. „Patriotische Europäer – das ist doch ein Widerspruch in sich. Patriots sind Abwehrraketen mit intelligentem Suchkopf…“ Und die Anhänger dieser Bewegung wiesen doch allen Ernstes darauf hin, dass die „Islamisierung in Deutschland voranschreitet“: an der Schule würden schon arabische Zahlen gelehrt.
„Abhören unter Freunden geht gar nicht“ – doch, sagen die AmisDiese Entwicklung erstaunt den Kabarettisten nicht. Die Politik habe Milliarden für die Bankenrettung ausgegeben – und wie viel für Bildung? Kein Wunder also, „dass das Volk den Rechten auf den Leim geht“. Butzko hebt an zu einer messerscharfen und gleichzeitig ziemlich giftigen Analyse der Amtszeit von Bundeskanzlerin Merkel. „Die Frau ist doch nicht von dieser Welt. Stimmt. Sie ist aus der DDR.“ Genüsslich wiederholt er ihren Satz von 2013, dass das Internet „für uns alle Neuland ist“. Wie lasse sich ihre Betriebsblindheit, Ignoranz, „Bevölkerungsentferntheit“, „Intelligenzinkontinenz“ besser beweisen als mit dieser Äußerung. Die Kanzlerin liege oft „kilometerweit daneben“, betont Butzko. „Abhören unter Freunden geht gar nicht.“ Doch, hätten die Amis prompt gesagt. „Scheitert der Euro, scheitert Europa“. Im letzten Wortteil stecke der Inhalt. Die Merkelsche Sparpolitik habe dazu geführt, dass Europagegner überall auf dem Vormarsch seien. „Was muss eigentlich noch passieren, dass sie Europa als Scheiterhaufen sieht?“
Als „einer, der in ganz Deutschland herumkommt“, zeigt Butzko ein Herz für Ossis. Die Lebensleistung der Ostdeutschen werde überhaupt nicht honoriert, hält er fest. 90 Prozent der Führungskräfte im Osten kämen aus dem Westen. Selbst das Tatort-Ermittler-Team in Dresden stamme aus den alten Bundesländern. „Wie wäre es eigentlich uns im umgekehrten Falle ergangen?“. Herrlich ahmt der Künstler den früheren SED-Generalsekretär Erich Honecker in einer Ansprache ans Volk nach.
Die Verlierer der Wende fühlen sich nach Worten Butzkos durch die der Globalisierung bedroht, die sich nun in Scharen zu uns aufmachen. Er malt ein eindrückliches und beschämendes Szenario einer potenziellen Kolonialisierung Europas durch Afrika: Wir hätten 2,5 Millionen Tote zu beklagen, die Lausitz und das Saarland wären ausradiert, 70 Prozent des Bodens gehörten Afrikanern, für die wir schufteten. Irgendwann hätten wir genug, würden uns nach Afrika aufmachen, „und dort würde uns als Wirtschaftsflüchtlingen die Einreise verweigert“. Schweigen.
Nach einer kleinen Atempause wendet er sich dem nächsten großen Thema zu, der Digitalisierung. Da gebe es Leute, die den ganzen Tag nichts anderes machten, als auf ihr Handy zu glotzen. „Und für diese Evolutionsbremsen sollen nun noch LED-Lichter an den Fußgängerampeln aufgebracht werden, damit sie nicht hochschauen müssen“, schimpft er.
Nerds, die nur in Einsen und
Nullen denken, haben das SagenIn einer fulminanten Betrachtung, die er mit Zitaten von hochrangigen Managern der führenden Social-Media-Konzerne unterlegt, zeigt Butzko den schädlichen Einfluss der Digitalisierung auf. Gemacht sei sie „von Nerds, die nur in Einsen und Nullen denken, wobei eins für gute Noten in Mathe, null für Sozialkompetenz steht“, also von privilegierten Egozentrikern, die im praktischen Leben wenig taugten. Der Künstler erwähnt die Selbstüberhöhung bei Kindern und Jugendlichen, die sich ständig selbst fotografieren. Andere seien angewiesen auf Belohnungs-Emojis, um sich gut zu fühlen. Inzwischen bestimmten Influencer, wie sich junge Leute zu schminken hätten, was sie tragen. Und was noch? Butzko spricht von geschätzten 100.000 Social-Media-Süchtigen. „Wo ist unsere Drogenbeauftragte?“ Und Christian Lindner stelle sich hin und fordere „digital first, Bedenken second“. Neben der Abhängigkeit kritisiert Butzko die Datenmengen, die die großen Konzerne ständig von uns speichern. Conclusio: „Die Digitalisierung schadet mehr als sie nützt.“
Für die Fülle an nachdenkenswerten Anregungen bedankt sich das Publikum mit schier nicht enden wollendem Applaus. Erst nach zwei Zugaben darf Butzko die Bühne verlassen.