Von Hildegard Janssen-Müller
Wie sich schnell herausstellte, kannten viele der Besucherinnen und Besucher das Duo bereits. Denn auf Nachfrage der Künstler, wer sie schon live auf der Bühne erlebt habe, gingen im Publikum zahlreiche Hände in die Höhe. Andere dürften sie aus den Medien kennen. Im Fernsehen sind Simon Eickhoff und Jan Traphan unter anderem in der „Anstalt“ und bei „Pufpaffs Happy Hour“ aufgetreten. Zahlreiche Auszeichnungen haben sie auch erhalten – darunter den Deutschen Kleinkunstpreis.
So ist die Erwartungshaltung groß. Und sie wird nicht enttäuscht werden. Das Publikum unterhält sich bestens, die Bereitschaft, sich auf die sanfte, gefällige Musik, überwiegend dargeboten auf Akustikgitarren, einzulassen, ist groß. Sanftmütig und harmlos erscheinen auch die Musiker auf der Bühne. Ein Eindruck, den sie – komme an Texten, was da wolle – auch konsequent beibehalten. Und sie eröffnen den Abend sogar „mit einer Mitmachnummer“. Im Publikum seufzt jemand laut „O je“. Doch das Publikum soll nur an den richtigen Stellen ein- und ausatmen. Alles wird vorgegeben, im Raum sind tiefe Atemzüge zu hören. Doch unter der ruhigen Oberfläche des Atmens lauert auch Unschönes. So wie zum Beispiel die Rache des Chemielehrers an seinen pubertär nach Buttersäure duftenden Schülern: Er öffnet das Fläschchen mit dem Ammoniak. Man hört förmlich, wie dem Publikum da der Atem stockt.
Eben das ist eine Besonderheit der beiden Musiker aus Oldenburg. Zartfühlend wirken sie, manchmal auch so schüchtern in ihrer Gestik, als wollten sie in ihren Akustikgitarren Schutz suchen wie in einem Schneckenhaus. Doch das täuscht. Unter dieser liebenswürdigen Oberfläche, hinter der Musik, die an manchen Stellen so lieblich klingt wie bayerische Stubenmusik, lauern oft unbequeme Wahrheiten und das Grauen.
Manche Texte sind nette Träume und einfach amüsant. So wie „Sex mit Sarah Wagenknecht“. Keine Sorge, viel konkreter wird es nicht, außer dass dabei eine weiße Taube leise eine Wolf-Biermann-Melodie gurrt. Und weiterführende Fantasien des Publikums dürften mit der letzten Strophe zerplatzen: „Ich hatte Sex mit Gregor Gysi.“ „Nich grade ne Partynummer“, wie Simon & Jan sagen, ist dagegen zum Beispiel ein Lied über die deutsche Asylpolitik. Oder der Song „Hat sich nicht bewährt“, der zu leichter, lockerer Musik davor warnt, Verhaltensmuster aus der Zeit des Nationalsozialismus zu wiederholen.
Und selbst wenn Tausende vernünftig sind nach dem Motto, „Stell dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin“, mag das zutreffen, „bis auf irgendeinen Arsch, der dann doch wieder alles kaputt macht“.
Ja, die Ausdrucksweise muss manchmal drastisch sein, um Tatsachen zu untermauern, beispielsweise wenn es um Massentierhaltung, vergiftete Flüsse und abgeholzte Wälder geht. Rezepte für das „Alles wird gut“ bieten Simon & Jan nicht an, dafür aber das Lied mit dem entsprechenden Refrain, den das Publikum schließlich wie ein Mantra fast in Endlosschleife wiederholt. Statt Tipps zu geben, führen die beiden Tatsachen ins Feld, zu denen jeder sich seine eigene Meinung bilden und dementsprechend auch handeln kann. Und sei es nur, dass er seine eigene Position und das Privileg, in einem Land wie unserem geboren zu sein, einmal überdenkt und sich nicht auf den Standpunkt stellt: „Ich lass die ganze Scheiße einfach gar nicht an mich ran. Weil ich kann.“
Es gibt aber auch die richtig netten Lieder. Lieder, die in Reimen auf deutsche Städte deren Urlaubswert hinterfragen beispielsweise, oder das zärtliche Trinklied „Sauf mit mir die ganze Nacht.“ Da ist nach vier Bier übrigens Schluss. So mancher Pfälzer, kam es aus dem Publikum, ist da anderes gewohnt.
Quelle
Ausgabe | Die Rheinpfalz Mittelhaardter Rundschau – Nr. 259 |
Datum | Dienstag, den 8. November 2022 |
Seite | 15 |
Von Birgit Karg
Cooles Intro auf der Kleinkunstbühne: Begleitet von heroischer Filmmusik gleitet „Supertina“ auf Rollschuhen über die Bretter. Und am Heldinnen-Look aus pinkfarbenem Mini und futuristischen Silberleggins darf natürlich der Umhang nicht fehlen. Das Kostüm, gefunden beim Aufräumen und Ausmisten nach Marie Kondo, damals während des Lockdowns, mache glücklich. Weltrettung, meint Supertina, fange im eigenen Umfeld an. Erstmal alles checken: „Verströmt der eigene Mann keine Glücksgefühle mehr? Zack, ab in die Tonne“.
Kurzweilige zwei Stunden plaudert und singt sich Tina Häussermann quer durch den kabarettistischen Themen-Dschungel, von Weltpolitik, Krieg und Klimakrise bis zu Mobilität und Möpsen. Dabei dekliniert die zweifache Mutter und einfache Ehefrau die unterschiedlichsten Rettungsszenarien durch. Damals, in ihrer internetfreien Kindheit, habe sie die Welt retten wollen mit Bonanzarad und Sanostol im Blut. Und jetzt, auf Gedankenreise als Verkehrsministerin, wäre es eben ein SUV-Elektro-Tretroller. Aber wo soll der ganze Strom herkommen, fragt sich Supertina und gesteht: „Umweltschutz ist wie Yoga, wenn’s die Andern schaffen, ist’s wirklich toll“. Doch auch hier winkt Rettung, und so bricht Supertina als Laufcoach eine Lanze für die Nachhaltigkeit des Gehens.
Der Zustand der Gesellschaft spiegle sich auch in der Hundewahl, meint Tina Häussermann und blickt, nach Bobtail (1970er) und Golden Retriever (2000er) entsetzt auf den Modehund der Gegenwart, den Mops. Ihr Fazit: „Der Mops kann nix“.
Als Künstlerin zwei Jahre ohne Applaus, habe sie sich gerettet mit Beifallstraining für die Familie und mit Beifallskonserven aus einer Soundmaschine am Handgelenk. Und zur Rettung des eigenen Wohlbefindens sogar in einem schwäbischen Wellness-Keller einer „Aroma-Massage“ ausgesetzt, mit Leberwurst-Odeur. Ist die Liebe noch zu retten im Angesicht aller „Aggressative als Beziehungszünder“? Oder die Paarbeziehung auf Parship? Auch dafür hatte die studierte Jazzsängerin einen von acht Songs auf Lager: Bei der Ortsnamenscollage: „Sag mir, wo du herkommst, und ich sag dir, wer du bist“ waren die gereimten Geografiekenntnisse des Publikums gefragt.
Leider gebe es für die Beziehung kein Warnsystem wie beim Auto die PDC (Park Distance Control), doch der Paketbote wird’s schon richten, und so singt Supertina ihr herrlich absurdes „Ich habe meinen Mann mit DHL verschickt“ und begleitet sich dazu mit 88 schwarzen und weißen Tasten, denn, so ihr Credo, „viele Dinge werden leichter, wenn man singt“.
Roter Faden im Programm ist Supertinas Weltrettungs-Tagebuch, aus dem die Kabarettistin immer wieder neue Themen und Perspektiven hervorzaubert. Nostalgische Rückblicke wechseln ab mit kühnen Allmachtsfantasien, dazwischen ist sie auf der Suche nach systemrelevanten Berufen. Vielleicht Henker werden? Oder Abtritt-Anbieterin mit mobilem Dixie-Klo? Der Trend gehe klar rückwärts. „Ende gut, alles gut“ heißt ihr swingendes Finale. Was kann man von Corona lernen? Dass noch nichts aus China so lange gehalten hat.
Musikalische Höhepunkte hatte vor allem Tina Häussermanns zweiter Programmteil: Hier klimperte und trällerte sich die Sängerin mit einem Medley zum Thema „Allergien“ quer durch die Schlagerwelt, um schließlich mit „Ich brauch Tempo, fettes Päckchen“ abzurocken. Schlussendlich machte sie sich an die Rettung des eigenen Blutzuckers: mit den „geilsten Kalorien“ aus ihrer Chipstüte und einem Arien-Medley, astrein geschmettert im Carmen-Modus. Und mit einem gemeinsam gesungenen „Der Mond ist aufgegangen“ schickte die Trägerin des Deutschen Kabarettpreises ihr Publikum auf den Heimweg.
Quelle
Ausgabe | Die Rheinpfalz Mittelhaardter Rundschau – Nr. 241 |
Datum | Montag, den 17. Oktober 2022 |
Seite | 19 |