„Michael Kohlhaas“ aus der gleichnamigen Novelle von Kleist wird hier zur Bühnenfigur. Die Handlung, die auf historischen Tatsachen aus dem 16. Jahrhundert beruht, zeigt die Wandlung eines ehrbaren Pferdehändlers zum mordenden Racheengel.
Alles beginnt mit einem unrechtmäßig eingeforderten Wegezoll an einem neu errichteten Schlagbaum im Deutschland des 16. Jahrhunderts. Weil Kohlhaas nicht zahlen will, muss er zwei seiner schönsten Pferde als Pfand überlassen. Während seiner Abwesenheit werden sie als Arbeitstiere missbraucht und sind bei seiner Rückkehr in einem sehr schlechten Zustand. Der Rosshändler fordert die Wiederherstellung seiner Tiere, wird aber davongejagt. Kohlhaas versucht daraufhin mit allen Mitteln, sein Recht durchzusetzen. Als er von allen Instanzen zurückgewiesen wird, wendet er schließlich Gewalt an und wird zum Anführer einer brandschatzenden Horde.
Das Stück wird von zwei Schauspielern gespielt. Der ältere (Ben Hergl) spielt den Kohlhaas, während der jüngere (Christoff Raphaël Mortagne – erstmals bei Chawwerusch) jeweils die Position der anderen Figuren einnimmt. Die Rolle des Erzählers spielen beide abwechselnd. Durch diese Zweier-Konstellation auf der Bühne bleibt der zentrale Konflikt immer vor Augen: Einerseits ist Kohlhaas ungerecht behandelt worden und sein Streben nach Gerechtigkeit ist allzu verständlich. Andererseits wird sein Handeln immer gewalttätiger und schafft neues Unrecht, er wird selbst zum Täter. Die blutige Rache macht ihn zum skrupellosen Terroristen außerhalb der Gesellschaft. Immer wieder kreisen die Dialoge um die Frage, wie weit man für sein Recht gehen darf. Gleichzeitig überschlagen sich die Ereignisse. Franziska Smolareks Bühnenbild macht Brände und Schlachten sinnlich erfahrbar, bis das Schwert zum letzten Mal ausgeholt wird: Der Rächer in eigener Sache findet auf dem Schafott sein Ende.
Damit ist aber die Frage nach der Gerechtigkeit nicht beantwortet, sie stellt sich nach wie vor – auch heute. Wann ist dieser Punkt erreicht, an dem ein braver Bürger zum Terroristen wird? Was müsste 2015 in Athen und Barcelona passieren, damit aus perspektivlosen, wütenden Demonstranten gewalttätige Terroristen würden?
Autor und Regisseur dieser Bühnenfassung ist Siegfried Bühr, der bereits bei „Indien“ und anderen Produktionen mit dem Chawwerusch Ensemble zusammengearbeitet hat. In seiner Interpretation bleibt es nicht bei den Fragen, die der spektakuläre Stoff aus sich heraus stellt. Auf der Basis der Kleistschen Sprache entfaltet die Inszenierung einen bunten Strauß von Sichtweisen und aktuellen Bezügen, die dem Zuschauer keine letztgültigen Antworten geben, ihn aber mit immer neuen Fragen unterhaltsam fesseln.
Samstag, 7. November 2015
Einlass: 19:30 Uhr
Beginn: 20:00 Uhr
Herrenhof Mußbach
Festsaal im Kelterhaus
16,00 Euro + VVK
Reihenbestuhlung
Platzreservierung
18,00 Euro
Reihenbestuhlung
Platzreservierung