Von Annegret Ries
Neustadt-Mussbach. Passt Jazz in einen mittelalterlichen Kirchenraum? Wie sieht es mit Atmosphäre und Akustik aus? Und finden sich für so ein Angebot in der Region überhaupt Zuhörer? Das waren nur einige der Fragen, die sich am Samstag vor dem Start der neuen Reihe „Jazz im gotischen Chor“ mit dem Schlagzeuger Dirik Schilgen und seiner Gruppe „JG4“ in der Johanneskirche in Mußbach stellten. Die Antwort ist nicht ganz einfach.
„Die Akustik ist hochgotisch“, brachte ein Besucher das größte Problem auf den Punkt. Tatsächlich sind die Klangverhältnisse, wie sich schnell zeigte, in dem sehr hohen und relativ kleinen, da vom Hauptschiff durch eine Mauer abgetrennten Chorraum für musikalische Darbietungen eher suboptimal. Es hallt extrem, Töne werden verschluckt, worunter vor allem der Klang des Schlagzeugs zu leiden hatte. Doch auch das Klangbild der anderen Instrumente wurde immer wieder durch die Akustik beeinträchtigt – ebenso wie die Ansagen des Bandleaders, die für die rund 70 Zuhörer oftmals leider völlig unverständlich blieben. Trotzdem boten Schilgen und seine Mitmusiker Thomas Langer (Gitarre), Friedrich Beetz (Bass) und Garry Fuhrmann (Saxophon), die an diesem Abend zum allerersten Mal in dieser Besetzung spielten, ein angesichts der ungünstigen Bedingungen bemerkenswert gutes Konzert.Schilgens Kompositionen sind stark von brasilianischen Musiktraditionen geprägt, die weit mehr zu bieten haben als nur den allseits bekannten Samba. Doch auch der klang bisweilen durch, etwa bei dem Stück „Mangue Seco“, einer Komposition von Schilgens letzter CD „On the move“, die im leichten Samba-Rhythmus entspannt durch den Raum schwebte.
Auch im weiteren lag der Schwerpunkt bei leichter, entspannter, sanft dahinperlender Musik. Es war Musik zum Entspannen, bei der man gerne auch mal die komplexen Muster der hohen Fenster des gotischen Chores oder die Wandmalereien auf sich wirken ließ. Doch ist diese Musik deshalb keineswegs anspruchslos, denn hinter dem „Easy Listening“ verbergen sich durchaus komplexe Klangbilder, so bei „Beauty“, das mit hohen, leicht disharmonischen Tonfolgen von Garry Fuhrmann am Tenorsaxophon beginnt, um dann immer swingender und harmonischer zu werden.Immer wieder prägte Fuhrmann durch Improvisationen das Konzert. Etwa bei dem sehr rhythmusbetonten Titel „Take a way“, bei dem das treibende Schlagzeug von Schilgen mit den Klängen Fuhrmanns am Tenorsaxophon korrespondierte, während dieser bei dem leicht groovenden Stück „From north“ mit dem Sopransaxophon Akzente setzte, die Friedrich Beetz dann mit dem Bass aufnahm. Dies war nicht nur akustisch interessant, sondern auch optisch, denn der eher klein gewachsene Bassist ist sicher 20 Zentimeter kleiner, als das Instrument, das er mit viel Können und Einsatz spielt. Bandleader Schilgen wiederum tat sich unter anderem mit dem Stück „Dark winter blues“ hervor, in dem er mit seinem Schlagzeug einen schweren, satten Klangteppich ausrollt. Auch sonst waren viele der Stücke geprägt durch sehr dichte, starke Melodien, an deren Entwicklung auch Gitarrist Thomas Langer großen Anteil hatte.
Schon nach den einzelnen Stücken hatten die Zuschauer begeistert applaudiert. Dementsprechend intensiv war der Beifall am Schluss des Konzerts, das Dirik Schilgen und „JG 4“ dann auch noch durch eine Zugabe verlängerte. Das nächste Konzert der vom „Kabarettissimo“-Team der Fördergemeinschaft Herrenhof verantworteten Reihe bestreitet am 2. Juni Jazzsängerin Nicole Metzger – die hat von ihren Weihnachtskonzerten in der Neustadter Stiftskirche immerhin schon Erfahrung mit akustisch schwierigen Kirchenräumen.