Von Andrea Dölle
„Ein kabarettistisches Meisterstück über die Macht von und die Manipulation durch Marketing“, lautet der Untertitel. Die Besucher ahnen es schon: Das kann ja heiter werden. Und das wird es auch. Schlag auf Schlag folgen Feststellungen, kleine Erzählungen und Pointen, werden mit flinker Zunge vorgetragen. Dazwischen platziert Philipp Weber, eingeleitet mit „Ach, das muss ich euch noch erzählen“, kleine Geschichten. Wahr sind sie, wie er beteuert, oder aber auch nicht, wie der Zuschauer manchmal denkt. Zum Lachen sind sie immer. Die Beeinflussung des Menschen durch geschicktes Marketing, sei es von Firmen, Freunden, Partnerinnen oder in der Politik steht im Mittelpunkt. Wie ein roter Faden zieht sich die Frage durchs Programm, ob sich ein kritischer Kabarettist wie Weber, der mit seinem Programm gleichzeitig als „Verbraucherschützer“ agiert, vermarkten lassen soll. Welche Argumente ziehen bei ihm? Und was bewirkt das?Doch der Weg durch die Welt der Manipulationen ist kein gerader. Immer wieder schweift Weber ab, hüpft gedanklich mal hierhin, mal dahin, wie ein Kind, das rechts und links vom Weg ständig Neues entdeckt, es untersuchen und mitteilen muss. Weber fordert die ganze Aufmerksamkeit der Besucher, denn er will sie mit seiner Ein-Mann-Schau nicht nur zum Lachen bringen, er will ihnen auch eine Lektion erteilen, wie geschicktes Marketing die Sinne des Verbrauchers vernebeln kann. „Manipulation ist unterbewusster psychischer Zwang. Nicht bloß Beschiss.“
Und auch nicht vor Geschwindigkeit. In der Schnellsprech-Parforcejagd von zweieinhalb Stunden muss der Zuschauer aufpassen, dass er hinter den sprachlich kräftigen Pointen nicht die feiner gezeichnete Satire verpasst. Dabei macht Schleich nur selten von seiner erstaunlichen Fähigkeit Gebrauch, Menschen bis zum Verwechseln zu parodieren. Erst am Ende gibt er dem „Strauß in sich“ Raum, und als „Zuckerl“ noch zwei anderen berühmten Bayern.Zunächst jedoch kommt er auf die Gefahren der Political Correctness respektive Incorrectness zu sprechen, im Stil eines Kreuzworträtsels. Völlig inkorrekter Songtext der „Beatles“? „Hey Jude“. Säurekristall, auch frühere Hollywoodgröße? Weinstein. Salz der Kohlensäure, gesteigert? Soda, in der Steigerung Söder. Hochsubventionierte Schwerkriminelle? Autoindustrie. Und schon ist er beim Dieselskandal: „Erst kauf ich einen Diesel, dann sagt man mir beim Autohersteller, den darf ich in Kürze nicht mehr fahren, aber ich kann einen Neuen erwerben. Dann entspricht auch der nicht mehr den Richtlinien, aber die Autoindustrie weiß Rat: wieder ein Neuer. So geht das: Fahre einen, zahl drei. Das ist der Pragmatismus der Autoindustrie, der der Steuerzahler mit 115 Milliarden Euro geholfen hat.“
Aber es geht noch besser: „Stuttgart 21: Ein Kamel baut ein Nadelöhr“. Wenn man auf die Amerikaner herabsehe, deren Waffenlobby strengere Gesetze verhindere, obwohl die laut Umfragen 82 Prozent der Bürger haben wollen, brauche man nur auf den deutschen Umgang mit dem Tempolimit zu sehen – und es gebe doch schon seit Jahrzehnten Forschungsansätze zu Alternativen: Städte ohne „Straßenbegleitblech“ seien vorstellbar. Aber in München sei immer wieder zu sehen, „wie Leute mit dem SUV zu Dallmayr fahren, um ein kleines Glas kandierte Langustenhoden zu kaufen, und sich empören, weil sie auf dem Marienplatz nicht parken können“. Und er überträgt versuchsweise Trumps Waffenvorstellungen – Bewaffnete in Schulen etwa – auf Deutschland: „Ist der Klassensprecher bewaffnet, gibt das seinen Argumenten gegenüber dem Lehrer doch gleich mehr Durchsetzungskraft – oder dem Hausmeister beim Brötchenverkauf in der Pause – ein Schuss in die Decke macht doch mehr her als ein Ruf: Ruhe bitte!“
Einen Rundumschlag bietet die zweite Hälfte: von den „Gutmenschen“, die immer alles richtig machen, besonders das Gendersternchen, über die „Erziehung unserer Kinder zu Arschlöchern“ bis zur Veränderung unserer Sprache durch Anglizismen. „Dabei ist die bayerische Sprache die einzige, die eine vierfache Verneinung kennt, etwa: „Na, keine Windpocken hab’ ich noch nie nich g’habt“. Gegen Ende kommt er aber doch noch, der ersehnte Franz Josef Strauß, und als Zugabe auch noch Schorschi und Beppi Ratzinger im Gespräch in den vatikanischen Gärten. Beppi hört nicht mehr gut, etwa Skihütten statt Schiiten, und er sieht viel fern in der Nacht: Den armen Frauen dort, die nichts zum Anziehen haben, hat er schon viel gespendet …