Persönliche Evergreens

Kultur Regional

Ilja Richter? Den meisten Älteren verbindet sich dieser Name untrennbar mit der ZDF-Musikshow „Disco“, die der inzwischen fast 69-Jährige elf Jahre lang, von 1971 bis 1982, moderierte. Die wenigsten wissen aber, dass der Berliner bereits seit 1960 auch als Schauspieler auf der Bühne steht – und neuerdings auch als Sänger, wie demnächst in Mußbach zu erleben.

Von Hans Kraus

 
Neustadt-Mussbach. Die Zeit, in der Ilja Richter der Sendung „Disco“ mit flotten Sprüchen wie „Licht aus! Whoom! Spot an! Jaaa …!“ und Sketcheinlagen an der Albernheitsgrenze seinen Stempel aufdrückte und sich damit ins kollektive Gedächtnis einer ganzen Generation einbrannte, macht alles in allem nicht mal 20 Prozent seines Künstlerlebens aus. Davor, danach, daneben etablierte er sich als Schauspieler in Theater- und Musicalinszenierungen, als Synchronsprecher wie etwa als Stimme von Mike Glotzkowski aus der „Monster AG“ und mit Lesungen und abendfüllenden Programmen wie „Vergesst Winnetou“ oder „Fontanes kulinarische Reise“. In den Mußbacher Herrenhof kommt er am Samstag nun mit seinem ersten Liederabend mit dem Titel „Lieblingslieder“, der vor etwas über einem Jahr im Übergangsquartier Schillertheater der „Komödie am Kurfürstendamm“ Premiere feierte.

Es geht um Songs, die 
sein Leben geprägt habenAber Vorsicht – es handelt sich dabei nicht um irgendwelche Lieblingslieder, sondern, darauf legt er im Gespräch sehr viel Wert, ausschließlich um seine eigenen. Viele davon stammen aus den ganz frühen Tagen der Unterhaltungshistorie. „Ich bin absolut kein Nostalgiker“, erklärt Richter auf Nachfrage, „aber natürlich stammen die Nummern, die ich vortrage aus der Vergangenheit und rufen Erinnerungen hervor. Es sind Stücke aus der eigenen Geschichte. Mit Lieblingsliedern meine ich nicht saisonbedingte Titel, die ich momentan gerade mag, sondern die, welche mich auf irgendeine Art und Weise über Jahre hinweg geprägt haben.“ Zu Gehör kommen dabei Stücke aus Klassik, Chanson, Jazz und Unterhaltungscabaret – mit „C“, nicht zu verwechseln mit dem mit „K“ geschriebenen politischem Kabarett, wie Richter betont. „Die Lieder treffen alle meinen persönlichen Geschmack, darum sind es in erster Linie meine Lieblingslieder“, philosophiert er. „Ich möchte sie, wenn auch anders gemacht, möglichst vielen Zeitgenossen zu Gehör bringen, denn es könnten eventuell auch ihre Lieblingslieder sein.“ 

Zitate auf Songs aus neuerer Zeit möchte er sich aber trotzdem nicht verkneifen. Dabei kommt dann doch wieder ein kleines Stückchen „Disco“ zum Vorschein. „Ich habe damals in meinem Sketchen gerne ein paar Giftpfeile in Richtung Schlager verschossen. Ich bin aber nicht der Typ, der sich, wenn ihm etwas nicht gefällt, darüber lustig macht. Wenn man mir jedoch eine Vorlage bietet, nehme ich sie gerne auf und verarbeite sie humoristisch“, erklärt er. 

Auf seine „Disco“-Zeit blickt Richter eher skeptisch zurückZu seiner Zeit als Moderator hat er ein gespaltenes Verhältnis. Richter: „Wir leben im Hier und Jetzt. Viele Leute meiner Generation schwärmen von Vergangenem, nach dem Motto ,Schön war die Zeit’ oder ,Früher war alles besser’. Wer’s mag, kann das gerne so halten, ich persönlich werde das aber nicht bestätigen. Ich glaube, die meisten empfinden die früheren Zeiten so toll, weil sie damals jung waren. Ich verbinde Erinnerungen damit, sonst nichts.“

Ilja Richter hat sich schon früh über sich und das Leben Gedanken gemacht. „Ich wahre gerne gesunde Distanz zu Menschen, ohne mich zu distanzieren“, sagt er. „Ich liebe Komik. Da gehört Distanz ganz einfach dazu. Komik ist Dingen aus der Distanz Kommentare hinzufügen.“ Der von ihm gepriesene innere Abstand machte sich unter anderem auch in seinem Kleidungsstil in den „Disco“-Sendungen bemerkbar. Aber auch dafür hat der Mann, der schon als Kind mit Größen wie Viktor de Kowa oder Martin Held spielte, eine Erklärung parat: „Ein Gastgeber muss nicht so aussehen wie seine Gäste. Ich habe getan, was ich konnte, dazu brauche ich mich nicht verkleiden. Herausgekommen ist dabei der junge Mann, der sich so kleidete wie er sich am wohlsten fühlte und sich nicht von Trends leiten ließ.“ 

Ein sehr wichtiges Thema ist für ihn die Freundschaft. Hier sprudeln die Worte nur so aus ihm heraus: „Freundschaft, Liebe und Zuneigung muss man sich erarbeiten. Das, was sich heute im Internet abspielt, hat mit gelebter Freundschaft nichts zu tun. Da freuen sich welche, dass sie nach ein paar Clicks hundert und mehr ,Freunde’ haben, ohne sie überhaupt persönlich zu kennen.“ Leider werde mit dem Begriff „Freund“ sehr inflationär umgegangen, bedauert Richter. Anders als zu „Disco“-Zeiten, als er die Zuschauer immer mit der Floskel „Hallo Freunde“ begrüßte und dafür ein „Hallo Ilja“ zurückbekam, sieze er Leute, denen er mal eben so begegne, heute ganz grundsätzlich – und so will er es auch am Samstag im Herrenhof halten. „Ich finde, ein liebevolles ,Sie’ drückt Respekt aus.“


TERMIN

Ilja Richter stellt sein Programm „Meine Lieblingslieder“ gemeinsam mit seinem Pianisten Harry Ermer am Samstag, 13. November, um 20 Uhr im Festsaal des Herrenhofs in Mußbach vor. Karten (35 Euro) über eintrittskarten@kabarettissimo.de. Es gelten die 3G-Regel sowie Masken- und Registrierpflicht. 

Quelle

AusgabeDie Rheinpfalz Mittelhaardter Rundschau – Nr. 260
DatumDienstag, den 9. November 2021
Seite13