Von Birgit Karg
Cooles Intro auf der Kleinkunstbühne: Begleitet von heroischer Filmmusik gleitet „Supertina“ auf Rollschuhen über die Bretter. Und am Heldinnen-Look aus pinkfarbenem Mini und futuristischen Silberleggins darf natürlich der Umhang nicht fehlen. Das Kostüm, gefunden beim Aufräumen und Ausmisten nach Marie Kondo, damals während des Lockdowns, mache glücklich. Weltrettung, meint Supertina, fange im eigenen Umfeld an. Erstmal alles checken: „Verströmt der eigene Mann keine Glücksgefühle mehr? Zack, ab in die Tonne“.
Kurzweilige zwei Stunden plaudert und singt sich Tina Häussermann quer durch den kabarettistischen Themen-Dschungel, von Weltpolitik, Krieg und Klimakrise bis zu Mobilität und Möpsen. Dabei dekliniert die zweifache Mutter und einfache Ehefrau die unterschiedlichsten Rettungsszenarien durch. Damals, in ihrer internetfreien Kindheit, habe sie die Welt retten wollen mit Bonanzarad und Sanostol im Blut. Und jetzt, auf Gedankenreise als Verkehrsministerin, wäre es eben ein SUV-Elektro-Tretroller. Aber wo soll der ganze Strom herkommen, fragt sich Supertina und gesteht: „Umweltschutz ist wie Yoga, wenn’s die Andern schaffen, ist’s wirklich toll“. Doch auch hier winkt Rettung, und so bricht Supertina als Laufcoach eine Lanze für die Nachhaltigkeit des Gehens.
Der Zustand der Gesellschaft spiegle sich auch in der Hundewahl, meint Tina Häussermann und blickt, nach Bobtail (1970er) und Golden Retriever (2000er) entsetzt auf den Modehund der Gegenwart, den Mops. Ihr Fazit: „Der Mops kann nix“.
Als Künstlerin zwei Jahre ohne Applaus, habe sie sich gerettet mit Beifallstraining für die Familie und mit Beifallskonserven aus einer Soundmaschine am Handgelenk. Und zur Rettung des eigenen Wohlbefindens sogar in einem schwäbischen Wellness-Keller einer „Aroma-Massage“ ausgesetzt, mit Leberwurst-Odeur. Ist die Liebe noch zu retten im Angesicht aller „Aggressative als Beziehungszünder“? Oder die Paarbeziehung auf Parship? Auch dafür hatte die studierte Jazzsängerin einen von acht Songs auf Lager: Bei der Ortsnamenscollage: „Sag mir, wo du herkommst, und ich sag dir, wer du bist“ waren die gereimten Geografiekenntnisse des Publikums gefragt.
Leider gebe es für die Beziehung kein Warnsystem wie beim Auto die PDC (Park Distance Control), doch der Paketbote wird’s schon richten, und so singt Supertina ihr herrlich absurdes „Ich habe meinen Mann mit DHL verschickt“ und begleitet sich dazu mit 88 schwarzen und weißen Tasten, denn, so ihr Credo, „viele Dinge werden leichter, wenn man singt“.
Roter Faden im Programm ist Supertinas Weltrettungs-Tagebuch, aus dem die Kabarettistin immer wieder neue Themen und Perspektiven hervorzaubert. Nostalgische Rückblicke wechseln ab mit kühnen Allmachtsfantasien, dazwischen ist sie auf der Suche nach systemrelevanten Berufen. Vielleicht Henker werden? Oder Abtritt-Anbieterin mit mobilem Dixie-Klo? Der Trend gehe klar rückwärts. „Ende gut, alles gut“ heißt ihr swingendes Finale. Was kann man von Corona lernen? Dass noch nichts aus China so lange gehalten hat.
Musikalische Höhepunkte hatte vor allem Tina Häussermanns zweiter Programmteil: Hier klimperte und trällerte sich die Sängerin mit einem Medley zum Thema „Allergien“ quer durch die Schlagerwelt, um schließlich mit „Ich brauch Tempo, fettes Päckchen“ abzurocken. Schlussendlich machte sie sich an die Rettung des eigenen Blutzuckers: mit den „geilsten Kalorien“ aus ihrer Chipstüte und einem Arien-Medley, astrein geschmettert im Carmen-Modus. Und mit einem gemeinsam gesungenen „Der Mond ist aufgegangen“ schickte die Trägerin des Deutschen Kabarettpreises ihr Publikum auf den Heimweg.
Quelle
Ausgabe | Die Rheinpfalz Mittelhaardter Rundschau – Nr. 241 |
Datum | Montag, den 17. Oktober 2022 |
Seite | 19 |