Kultur Regional
Von Annegret Ries
So ein Außerirdischer hat es nicht leicht. Da kommt man mit einem Helm mit Antenne auf dem Kopf – dem typischen Kennzeichen für einen Außerirdischen – bei einer Kabarettissimo-Veranstaltung auf die Bühne, dann sagt man einen falschen Satz, und der ganze Alien-Nimbus ist dahin. Stefan Klucke, der einen Hälfte des Kabarett-Duos Schwarze Grütze, ist diese Panne am Samstagabend zu Beginn des Programm „Vom Neandertal ins Digital“ passiert. Doch Klucke und sein Partner Dirk Pursche meisterten den kleinen Patzer souverän.
Im Sternenjahr 1023.5, am Übergang von Alpha- zum Betaquadrat, ist das Außerirdischen-Duo unterwegs, das sich nach dem Auftakt zur Entspannung erst einmal eine Pizza ausdruckte und Rotweintabletten auflöste. Das Science-Fiction-Szenario der Auftritte ist so etwas wie der Rahmen in dem Programm „Vom Neandertal ins Digital“.
Um den Neandertaler und den digitalen Zeitgenossen geht es in den Liedern und den Szenen von Klucke und Pursche. Und sie stellen fest, dass diese einiges gemeinsam haben. Man müsse sich nur die schlurfende, mit dem Blick nach unten gerichtete Fortbewegung junger Leute anschauen, die unterscheide sich nicht vom Neandertaler. Und einen Rauschebart, wie der Neandertaler, hätten die jungen Männer auch, heute heiße das Hipsterbart.
Und überhaupt „Warum ist er ausgestorben, der Neandertaler“? fragte sich das Duo in einem seiner Lieder. Schließlich habe er sich biologisch ernährt, gesunde Luft ohne Feinstaub eingeatmet und sei nicht von den Folgen eines Klimawandels betroffen gewesen. Das Duo präsentierte auch die Antwort: Der Neandertaler hatte kein Feng Shui, kein Ayuverda, keine Therapie und keine Reiki-Energie, da konnte er nicht überleben.
Schwarze Grütze verteilte seine ironischen Hiebe in unterschiedliche Richtungen und auf verschiedene Zielscheiben, mal bekommen Esoterik-Anhänger etwas ab, mal sind Digital-Fans an der Reihe, mal die Jugend, die nicht mal mehr als Bankräuber geeignet ist, mal Männer, die es nicht so mit dem Reden haben, mal Frauen, die einfach nur nerven.
Dabei zeigte die Schwarze Grütze manchmal herrlich schwarzen Humor. Etwa in dem von Stefan Klucke gesungenen Lied „Mit dem Metalldetektor gehe ich fröhlich über den Friedhof“. Dabei geht es um Funde in Särgen: nicht nur Schmuck und Goldzähne, sondern auch Herzschrittmacher und künstliche Gelenke aus Titan. Das alles lasse sich bestens verkaufen.
Besonders amüsant sind oft die Anmerkungen, die so ganz nebenbei kommen, wenn ein Satz eigentlich schon zu Ende ist. Etwa wenn Klucke auffordert „Hand aufs Herz“ und nach einer kurzen Pause „aber aufs Eigene“ nachschiebt.
Doch gelegentlich driftet die Schwarze Grütze in arg banale Kalauer ab. „Ein Reh mit Haarausfall muss in die Reha-Klinik“, ist da nur ein Beispiel. Doch bei den Besuchern kamen diese Kalauer an, es wurde gelacht. Was bei hintergründiger Ironie, versteckten Witzen nicht immer so war.
Beim Auftritt kann man durchaus auch etwas lernen, etwa was vegane Sprache und CO²-neutrale Sprache ist. Es ist beachtlich, wie Klucke und Pursche es schafften, ganze Texte hindurch äußerst konsequent alle Worte, die irgendwie nach Wurst oder Fleisch klingen, durch Wörter aus dem Bereich Gemüse und Obst zu ersetzen. Ebenso konsequent sind sie bei der sogenannten geschlechtergerechten Sprache, da wurde etwa aus der Petersilie eine Petrasilie.
Und Stefan Klucke und Dirk Pursche sind nicht nur Kabarettisten, die Musik in ihr Programm einbauen, sie sind auch Musiker. Durchaus gute, wie Klucke an Gitarre und Klavier und Pursche an Bass-Ukulele und Trommelfell zeigten. Mit viel Beifall bedankte sich das Publikum, das Duo gab eine Zugabe und warb für Bücher, Postkarten und CDs.
Quelle
Ausgabe | Die Rheinpfalz Mittelhaardter Rundschau – Nr. 19 |
Datum | Montag, den 23. Januar 2023 |
Seite | 22 |