Wellen und Dellen

Kultur Regional

Das Damenquartett „Schöne Mannheims“ bietet im Herrenhof in Mußbach ein bravouröses Kabarett-Konzert vor vollem Haus

Von Birgit Karg
 

Als sich im Jahr 2011 die drei Sängerinnen Anna Krämer, Susanne Back, Smaida Platais und Pianistin Stefanie Titus eher aus Spaß zum gemeinsamen Projekt „Schöne Mannheims“ zusammenfanden, hatten sie ihren Dauererfolg selbst nicht auf dem Schirm. Gefühlte 5000 Konzerte und „378 geplatzte BH-Träger“ später sind die vier Ladies im besten Künstlerinnen-Alter längst Kult, und so vermeldeten die Veranstalter der Herrenhof-Reihe „Kabarettissimo“ am Samstagabend auch logischerweise: „ausverkauftes Haus“.

Grün, Türkis, Blau und dezenter Glitzer: In meeresfarbenen eleganten Hosenanzügen, perfekt geschminkt und onduliert, betreten die vier die Bühne und lasen mit „Wir sind wieder hier, noch immer crazy und ganz schön schräg“ ihr kabarettistisches Manifest verlauten. Auch in ihrem fünften Programm „Das wird ja immer schöner“ präsentieren die Damen ihren typischen Mix aus dreistimmigem Satzgesang, grandiosen Solonummern, schrillen Sketchen und satirischem Witz, das Ganze gewürzt mit einer ordentlichen Portion Lebensweisheit und Selbstironie. 

Doch erstmal gibt’s einen Abgesang auf die Pandemie: Frei nach Petula Clarks „Downtown“ heißt das bei den Schönen „Lockdown, Homeoffice und Verzicht, Lockdown, Abstand und Maskenpflicht.“ Ein Sketch über die Verwerfungen der digitalen Welt mündet in den Zeitgeist-Song „Egal, scheißegal“, passend ergänzt vom Running Gag des Abends, einem roten Büchlein, aus dem das Quartett immer wieder Chat-Nachrichten von Fans und fragwürdige Ergüsse aus Facebook & Co. zitiert. Das ist Realsatire vom Feinsten. 

Ermittlungen im „Mordfall Hohes C“

Es sei Zeit, die Filmwelt aufzumischen, meinen die „Schönen Mannheims“ und verlegen den Tatort kurzerhand von Ludwigshafen in die Quadratestadt. Und so ermitteln Kommissarin Krämer von der Kripo Käfertal und Assistentin Back den Abend über gleich mehrmals im „Mordfall Hohes C“, Stefanie Titus gibt die (quicklebendige) Leiche am Klavier, und Opernsängerin Smaida Platais alias Viktoria, die Jodelschnepfe von der Vogelstang, wird als Mörderin entlarvt. 

Zwischen Klamauk und Dramatik hat jede Schöne ihre großen Solo-Momente auf der Bühne. Die blonde Finnin Smaida Platais gibt die exaltierte Diva, singt von Selbstermächtigung und Heldinnentum („Ich weiß was ich will“) und haut – stimmgewaltig und mit Saftflasche – ihr „Hohes C“ raus. Anna Krämer philosophiert mit dem Song „Rise Up“ über „Wellen und Dellen“ des weiblichen Körpers und das Auf und Ab im Leben und setzt mit einem Medley auf Joy Flemings Brücken-Songs Maßstäbe. Susanne Back plädiert in „Ich weiß, wie Leben geht“, einfühlsam für ein Leben jenseits von Google & Co. Mit der Überlebensbotschaft „Komm, mach dir keinen Kopf“ in dreistimmigem Satzgesang geht es in die Pause. 

Musikalisch kabarettistisch geben die „Schönen Mannheims“ danach Einblicke in ihr Künstlerleben, singen von Autobahn-Staus und Stress vor dem ersten Auftritt („Footloose – „Es geht los“) und bürsten die Pandemie-Erzählung im Stil der Weihnachtsgeschichte gegen den Strich. Mit großen Stimmen, frechen Schnauzen und umwerfender Bühnenpräsenz rocken die Damen die Herrenhof-Bühne und ernten völlig zu Recht stürmischen Applaus dafür. Wunderbar bissig erzählen sie von drohenden Grilleinladungen, Freizeitstress am Wochenende und werfen sich mit süßer Stimme auch schon mal kultivierte Gemeinheiten an den Kopf. 

„My Way“ erst in „Google“- Deutsch und dann gegendert

Vielfach ausgezeichnet, zuletzt 2022 mit dem Comedy-Preis der Stadt Freudenstadt, sind die „Schönen Mannheims“ längst eine Klasse für sich – virtuose Vollblutsängerinnen und unerschrockene Erzkomödiantinnen in Personalunion, die es sogar mit der KI aufnehmen. Und so zelebrierten die vier Multitalente den Welthit „My Way“ gleich doppelt: Einmal nach dem französischen Original (Sinatra hatte „nur“ gecovert) und im Wortlaut der deutschen Google-Übersetzung und dann noch mal in der ultimativen Gender-Version. Und schlussendlich machten sie auch vor „Queen“ nicht Halt. Da wird „Bohemian Rhapsody“ zum Abgesang auf den perfekten Body: „Corona war dran schuld, der Kühlschrank ruft.“

Mit ihrem ersten gemeinsamen Lied „Merci, Merci, Merci“, einem abgründigen Pseudo-Lovesong, verabschiedeten sich die „Schönen“ von ihrem begeisterten Publikum, das auf zwölf weitere Jahre mit den Künstlerinnen hoffen darf.

Quelle

AusgabeDie Rheinpfalz Mittelhaardter Rundschau – Nr. 117
DatumMontag, den 22. Mai 2023
Seite19