Von Anke Wanger
Sie stehe vor einem „sexy Publikum in Muuusbach“, meinte Nessi Tausendschön zur Begrüßung, die sich als „joke acout facility managerin“ und „Ulkkurtisane“ sah. Dafür gab es einzelnes Gelächter, erstaunte Blicke und vereinzelten Applaus. Mußbach blieb den Abend über Muuusbach und wieso sexy, erschloss sich trotz wortreicher Ausführungen über Kabarettbegeisterte contra unsexy Jazzbegeisterte nicht so richtig, doch Sex sollte noch eine Rolle spielen.
Nachdem sie feststellte, dass „die Künstlerin eben ab und zu einmal gern mit absurden Ideen verblüffe und man eben auch für diesen Scheiß zahlen müsse“, wuchs die Vorfreude nach der Selbsterkenntnis auf jetzt wohl einziehendes, knackiges Kabarett, immer am Ball bei kritisch diskutierten, aktuellen Gesellschafts- und Politik-Themen, scharfzüngig im hier und jetzt und einige Jährchen zurück.
Doch es war, wie so häufig bei aktuellen „Kabarettprogrammen“, eigentlich ein Comedy-Abend mit kabarettistischen Einlagen. Allgemeine Themen wie die „Fähigkeit der Menschen, zu vergessen“, Auftrittserlebnisse, Beziehungswitze und -analysen, Ansichten über ihr Berufsverständnis und „Jonglage- und Zaubereinlagen“ ihres Musikers nahmen großen Raum ein. Daran änderte auch Tausendschöns Definition nichts, dass die Comedienne ihr Programm wegen „dem Geld“ und die Kabarettistin ihr Programm wegen „des Geldes“ mache. Kabarettistische Einwürfe gerieten wenig differenziert in ihrer versuchten Bissigkeit.
Wo demokratisch, spitzfindiges Abgrenzen von politischen Sachverhalten mit witzigen Beispielen und messerscharfen Analysen Spaß gemacht hätten, standen mehr oder minder Feststellungen ohne tiefgreifendere kabarettistisch humorige Aufarbeitung. Der Applaus war verhalten. Die Stimmung hob sich nach musikalischen Darbietungen.
Denn Tausendschön zeigte sich als durchaus fesselnde Diseuse und Chansonnière, die mit ihrer singenden Säge und ihrem mitreißenden Partner William Mackenzie an den Gitarren ein hörenswertes Duo bildete. Die starke Stimme und originelle Songtexterin erklang mit ihrem einfallsreichen Musiker und versierten Begleiter in harmonischer Einheit. Ein Song wie „Sehnsucht nach Sehnsucht“, der dem Reiz des Kargen ein Forum gab, oder das Liebeslied „Auch, wenn du gehst“ hatten nicht nur eingängige Melodien, sondern neben Witz auch Botschaft.
Wer auf übermäßigen Konsum verzichtet, schätzt alles mehr und wer liebt, bleibt auch in trüben Situationen füreinander da. Zwischen den musikalischen Einlagen, sicher begleitet von Ton- und Lichteffekten von Frank Ruppert, legte die wandelbare, eloquente Künstlerin „English-Talks“ mit ihrem kanadischen Musiker und für „die internationale Note ihres Programms“ ein, die sehr zur Belustigung der Gäste damit endeten, dass Tausendschön vermeiden wollte, sich „over head and shoulder“ zu talken, was ihrer Übersetzung nach „sich um Kopf und Kragen reden“ hieß. Sie empfahl mit „sis is fun to do like sis, do it at home“ jedem ein hemmungsloses Englisch zum Spaß. Von Zeit zu Zeit trat Tausendschön an ihren Lesetisch, las von ersten Auftrittserlebnissen mit der bedauernden Erkenntnis, dass ihr ein „Hochschlafen“ im Bereich des Kabaretts kaum möglich gewesen sei, da sie im schwarzen Rollkragenpulli keinen Kleinkunstmogul hätte bezirzen können, insbesondere, wenn die oft lieber Männern den Vorzug gegeben hätten. Sie sprach von ihren Erfahrungen in muffigen, winzigen Garderoben bei ihren Auftritten. Dank dieser unmöglichen Rückzugsorte sei sie zur Dekofee geworden und habe stundenlange Zugaben nur gegeben, um nicht zurückkehren zu müssen. Der Gang zum Sportreportertisch als Gesine Töpperwein-Hartmann von den Europameisterschaften im Kunstvögeln gerät zum belachten Temperamentsausbruch Tausendschöns. „Danke für das schöne Geräusch“, konnten sie und ihr Musiker Mackenzie dann einmal mehr zum Ende der Veranstaltung sagen, als sie ein wohlwollender Schlussapplaus begleitete.
Quelle
Ausgabe | Die Rheinpfalz Mittelhaardter Rundschau – Nr. 223 |
Datum | Montag, den 25. September 2023 |
Seite | 21 |