Meister des Understatements

Kultur Regional

Die Tuba ist Instrument des Jahres 2024. Wie passend daher, dass die Reihe „Kabarettissimo“ im Mußbacher Herrenhof am Samstag den bayrischen Kabarettisten und Tubisten Andreas Martin Hofmeir zu sich eingeladen hatte. Der 45-Jährige spielt mit dem volkstümlichen Tuba-Tuba-Tätärää-Image seines schwergewichtigen Instruments, ist aber mit allen Wassern gewaschen.

Von Cosima Schade

Andreas Martin Hofmeir ist so etwas wie das personifizierte Understatement: „Kein Aufwand“ heißt seine Autobiografie, aus der am Samstag in Mußbach unter anderem las, und er sitzt dabei an einem Tisch mit Deutschlandfahne, weiß-blauem Bayernwimpel und und einem Bierkrug. Das alles auf einer geblümten Tischdecke, wie man sie in einem alten Dorfgasthaus finden könnte. Er selbst trägt Kapuzenpulli und kommt barfuß daher – das ist sein Markenzeichen. Der Typ Urbayer schlechthin also, so stellt man sich einen traditionellen Blechblasmusiker im Alpenvorland vor. In Wirklichkeit ist Hofmeir aber Professor für Tuba an der Universität Mozarteum in Salzburg. Seine Brassband „La Brass-Banda, die er mitbegründete, spielte in großen Hallen. Er bekam den Echo Klassik, als erster Tuba-Spieler überhaupt. Auch Kabarettpreise hat er gewonnen. Und Gedichte schreibt er auch noch. 

Auf der Bühne aber gibt er den Naturburschen, bayrischer Dialekt inklusive. „Verstehen Sie mich überhaupt?“, lautet seine erste Frage. Er komme aus Geisenfeld in der Holledau. Ob man das kenne? Dort gebe es als Monokultur nur Hopfen. Und das sei auch die einzige Kultur. Im Prinzip eine gottverlassene Gegend wie diese hier. Auf dem Weg hierher sei er mit dem Auto mehrfach in den engen Gassen Mußbachs steckengeblieben. Frechheit, sagte da mancher Zuschauer, auch die Beschreibung der Pfalz als „Mischung aus trinkbaren Weinen, Ruinen, Laubwäldern und Schweinemägen“ provoziert bewusst.

Zum Tuba-Spielen sei er nur gekommen, weil das ein Instrument sei, das man mit wenig Aufwand spielen könne, gibt sich Hofmeir selbstironisch. Man bekomme es gestellt, wenn auch verbeult. Und man habe damals in der Dorfkapelle dringend einen Tubaspieler gebraucht. Viel lieber hätte er Schlagzeuger oder Fußballer werden wollen. Letztendlich sei Tuba aber ein geniales Instrument. Bei Dvorak Nr. 9 müsse die Geige 20.000 Töne spielen, die Tuba nur sieben. Umgerechnet in ein „Netto-Ton Einkommen“ bekomme daher bei 300 Euro Pauschal-Gage am Abend der Geiger 1,5 Cent pro Ton, der Tubist dagegen 42 Euro. Und man spielt Tuba im Sitzen – ohne Aufwand also. Da nehme man doch gerne in Kauf, dass man als Tubist bei der Oper „Die Liebe zu den drei Orangen“ von Prokofjew die Fürze der Köchin spielen müsse. Oft könne man bis zu seinem Einsatz ein Buch lesen. 

Auch sonst sei ihm im Leben immer wichtig gewesen, alles ohne Aufwand zu betreiben – bei maximalem Erfolg. Jahrelang habe er sich in seiner Jugend im Naturschutzbund engagiert und Krötenzäune gebaut, dabei hasse er Amphibien. Seine Motivation waren die dickbelegten Wurstbrötchen, die eine Metzgerei dafür gespendet habe. Bei ihm zu Hause habe es bei seiner schwäbischen Mutter nur am Wochenende eine halbe, dünne Scheibe Wurst gegeben. Heute lohne sich das Krötenzaunbauen nicht mehr, da nur noch Veganer mit dabei seien. Die Assoziation zur Musik schafft er, indem er den Ton, den eine Kröte von sich gibt, wenn sie im Zaun hängenbleibt, mit Flötenspiel vergleicht. Falsch gebaute Krötenzäune seien nämlich oben scharfkantig – die Kröte bleibt an der Spitze stecken statt darüberzugleiten. 

Essen spielt auch sonst in seiner Erzählung eine Rolle: Wenn er mit seiner Tuba „Fanny“ auf Tournee gehe und das Flugzeug benutze, buche er für sie einen Sitzplatz. Das wiederum habe den Vorteil, dass er zwei Essen bestellen könne – wenn man schon zwei Plätze bezahle, gebe es logischerweise auch zwei Portionen. 

Im Kontrast zu dem eher schwarzen Humor stehen die Musikpassagen seines „Musikkabaretts“. Brasilianische Liebeslieder der jazzartig klingenden und improvisierten Stilrichtung „Musica Popular Brasiliera“, einer Bewegung, die es seit den 70er Jahren gibt und deren Werke immer wieder neu bearbeitet werden. Begleitet wird sein gefühlvolles Tubaspiel an diesem Abend von Tizian Jost, einem Jazzpianisten, den er „ganz ohne Aufwand“ erst in Neustadt am Bahnhof getroffen habe. Er sei für einen erkrankten Musiker eingesprungen. Die Vorstellung des Gastspielers ist jedoch ebenfalls Understatement: Jost ist Professor an der Musikhochschule in München im Hauptfach Jazzklavier. 

Die beiden harmonieren großartig, die Tuba kann ihre tiefen, warmen Klänge, aber auch rhythmisch schnelle Passagen voll zur Geltung bringen. Im Prinzip hat die Tuba hier die Rolle eines tiefen Mega-Saxofons, aber das darf man einem Tuba-Liebhaber natürlich nicht sagen. Als jüngstes und tiefstes Blechblasinstrument wurde sie übrigens erst 1835 in Berlin entwickelt. Haydn, Mozart, Beethoven kannten sie noch nicht. Wie der Abend zeigte, ist aber für echte musikalische Entdeckungen gut.

Quelle

AusgabeDie Rheinpfalz Mittelhaardter Rundschau – Nr. 48
DatumMontag, den 26. Februar 2024
Seite19