Von Regina Wilhelm
Gerade in diesen schwierigen Zeiten sei es wichtig, „sich mit Menschen, mit Künstler zu umgeben, die man einerseits liebgewonnen hat und die andererseits beim Publikum gut ankommen“, sagt Kreitmann. Und so sind alle, die in den nächsten zwölf Monaten im Herrenhof zu Gast sind, „gute Bekannte“. Ausnahmen bestätigen wie immer die Regel.
Im ersten Halbjahr dominiert die Musik. Den Auftakt bildet die „Schwarze Grütze“ am Samstag, 21. Januar. Unter dem Motto „Vom Neandertal ins digital“ wollen die zwei Potsdamer Kabarettisten einen Blick auf die Gesellschaft der Gegenwart und der Zukunft werfen. In ihren bissigen, gesellschafts- und politkritischen Texten zeigen sie auf, welche in ihren Augen seltsamen Gepflogenheiten in diesem unserem Lande kursieren. Eingebettet ist ihre Analyse, die sie aus der Sicht von Außerirdischen machen, in „eine skurrile Rahmenhandlung“, wie es heißt. Ihr Ergebnis ist fatal: Es bestehen ernste Zweifel, ob es auf der Erde je intelligentes Leben gegeben hat. Ihr Programm bestreiten die „Schwarzen Grützler“, Dirk Pursche und Stefan Klucke, mit Gesang, Gitarre und Klavier. „Sie sind gern bei uns gesehen“, weiß Kreitmann. Und „trotz ihrer spitzen Zungen sind sie sehr menschlich und umgänglich“, ergänzt er lachend. Zuletzt waren sie 2018 in Mußbach, davor seit 2006 immer einmal wieder.
„Junge, Junge“ sollen in Mußbach erneut verzaubern
Kein Kabarett, aber Kleinkunst –im wahrsten Sinne des Wortes – bieten wiederum zwei Herren, besser gesagt zwei „Jungen“. „Junge, Junge“, das sind Gernot und Wolfram Bohnenberger aus Reutlingen. Die Brüder, der eine von Haus aus Arzt, der andere Ingenieur, haben sich der Mentalmagie verschrieben. Sie hätten 2007 erstmals die Herrenhof-Besucher „verzaubert“, so Kreitmann. Umso schöner, dass sie wieder mal den Weg hierher finden. Unter dem Titel „Glücksmomente“ wollen „Junge, Junge“ am Samstag, 25. Februar, auf magische Weise aufzeigen, was es mit Glückssymbolen wie Kleeblatt, Marienkäfer oder Hufeisen auf sich hat und wie sie wirken. „Gern beziehen sie ihr Publikum mit ein, spielen mit Emotionen und sorgen für Verblüffung“, erklärt Kreitmann. Er freue sich schon richtig auf den Abend mit den mehrfach ausgezeichneten Magier aus dem Schwabenländle; er verspreche „Glück und Zufriedenheit“.
Genau einen Monat später, nämlich am Samstag, 25. März, gibt das Duo „Mackefisch“ mit seinem Programm „Harmoniedergang“ sein Debüt in Mußbach. Der lustige Eigenname ist übrigens nichts weiter als das Kompositum aus den Nachnamen der beiden: Lucie Mackert und Peter Fischer. Das Paar hat nach Worten Kreitmanns einiges zu bieten: „Die zwei sind echte Allroundtalente.“ Insbesondere schätzt er einerseits ihre musikalischen Fähigkeiten – sie singen und begleiten ihre selbst geschriebenen Kompositionen mit oftmals ungewöhnlichen Instrumenten –, andererseits ihre frechen, zeit- und gesellschaftskritischen Texte, die sie häufig in Dialogform vortragen. Ihre Lieder, teils Chansons, teils poppig und stark rhythmisch, rissen einfach mit. Kennengelernt hat der „Kabarettissimo“-Chef die Mannheimer „zufällig bei der Kleinkunstbörse in Freiburg“. Sie gefielen ihm so gut, dass er sie direkt für den Herrenhof angefragt habe. „Mackefisch“ hat ebenfalls schon etliche Preise abgeräumt, darunter den Walther-von-der-Vogelweide-Preis für junge Liedermacher, der alljährlich in Südtirol vergeben wird.
Den Halbjahresreigen beschließen am Samstag, 20. Mai, die „Schönen Mannheims“. Sie wollen mit ihrem „Jubiläumsprogramm“ – die „Schönen“ feierten 2021 ihr zehnjähriges Bestehen – die Zuhörerschaft betören. Kreitmann, der die vier Künstlerinnen vor etwa anderthalb Jahren erstmals im Herrenhof begrüßen konnte, spricht vor allem das musikalische Niveau an. „Ob Oper, Musical, Pop oder Chanson, die Damen beherrschen alle Genres.“ Darüber hinaus unterhielten Anna Krämer, Smaida Platais und Susanne Back augenzwinkernd mit frivol-witzigen Inhalten. Für die rechte Begleitung am Klavier zeichnet Stefanie Titus verantwortlich. Uwe Kreitmann verhehlt nicht, dass er das Quartett nicht nur wegen seiner Interpretationen mag. Nein, es habe ihm auch schon persönlich Rückhalt gegeben.
Die Ehrenamtlichen sollen nicht überfordert werden
Danach beginnt die Sommerpause. Ob es „spontan und kurzfristig“ ein Sommer-Open-Air geben wird, kann Kreitmann nicht versprechen. Möglich und denkbar sei dies schon. Andererseits möchte er sich nicht mehr „so viel aufladen“, deswegen bleibe es 2023 auch bei acht Veranstaltungen im Jahr. Hinzu komme, dass er die ehrenamtlichen Helfer nicht übermäßig strapazieren wolle und könne. Nicht zuletzt aus diesem Grund sei auch das Angebot der Speisen, die an den Abenden offeriert werden, reduziert worden. Dass das überarbeitete Konzept trotzdem aufgeht, beweisen die 90 Abos. „Das spricht für Vertrauen ins uns“, zeigt sich Kreitmann stolz. Insgesamt stehen im Festsaal 200 Plätze zur Verfügung.
Auch das Programm für die zweite Jahreshälfte steht übrigens schon fest. Da kommen ab September dann etwa im Monatsrhythmus Nessi Tausendschön, Philipp Weber, Mathias Tretter und Marco Tschirpke.
NOCH FRAGEN?
Alle Veranstaltungen finden im Festsaal im Kelterhaus des Herrenhofs in Neustadt-Mußbach statt und beginnen jeweils um 20 Uhr. Saalöffnung ist um 19 Uhr. Karten sind erhältlich bei Tabak Weiss in Neustadt (06321/2942), online bei Eventim sowie unter www.kabarettissimo.de/tickets.
Quelle
Ausgabe | Die Rheinpfalz Mittelhaardter Rundschau – Nr. 8 |
Datum | Dienstag, den 10. Januar 2023 |
Seite | 15 |
Herzlichen Dank an Barbara & Gerhard Fiedler für das organisieren. ❤️❤️
Von Hildegard Janssen-Müller
Wie sich schnell herausstellte, kannten viele der Besucherinnen und Besucher das Duo bereits. Denn auf Nachfrage der Künstler, wer sie schon live auf der Bühne erlebt habe, gingen im Publikum zahlreiche Hände in die Höhe. Andere dürften sie aus den Medien kennen. Im Fernsehen sind Simon Eickhoff und Jan Traphan unter anderem in der „Anstalt“ und bei „Pufpaffs Happy Hour“ aufgetreten. Zahlreiche Auszeichnungen haben sie auch erhalten – darunter den Deutschen Kleinkunstpreis.
So ist die Erwartungshaltung groß. Und sie wird nicht enttäuscht werden. Das Publikum unterhält sich bestens, die Bereitschaft, sich auf die sanfte, gefällige Musik, überwiegend dargeboten auf Akustikgitarren, einzulassen, ist groß. Sanftmütig und harmlos erscheinen auch die Musiker auf der Bühne. Ein Eindruck, den sie – komme an Texten, was da wolle – auch konsequent beibehalten. Und sie eröffnen den Abend sogar „mit einer Mitmachnummer“. Im Publikum seufzt jemand laut „O je“. Doch das Publikum soll nur an den richtigen Stellen ein- und ausatmen. Alles wird vorgegeben, im Raum sind tiefe Atemzüge zu hören. Doch unter der ruhigen Oberfläche des Atmens lauert auch Unschönes. So wie zum Beispiel die Rache des Chemielehrers an seinen pubertär nach Buttersäure duftenden Schülern: Er öffnet das Fläschchen mit dem Ammoniak. Man hört förmlich, wie dem Publikum da der Atem stockt.
Eben das ist eine Besonderheit der beiden Musiker aus Oldenburg. Zartfühlend wirken sie, manchmal auch so schüchtern in ihrer Gestik, als wollten sie in ihren Akustikgitarren Schutz suchen wie in einem Schneckenhaus. Doch das täuscht. Unter dieser liebenswürdigen Oberfläche, hinter der Musik, die an manchen Stellen so lieblich klingt wie bayerische Stubenmusik, lauern oft unbequeme Wahrheiten und das Grauen.
Manche Texte sind nette Träume und einfach amüsant. So wie „Sex mit Sarah Wagenknecht“. Keine Sorge, viel konkreter wird es nicht, außer dass dabei eine weiße Taube leise eine Wolf-Biermann-Melodie gurrt. Und weiterführende Fantasien des Publikums dürften mit der letzten Strophe zerplatzen: „Ich hatte Sex mit Gregor Gysi.“ „Nich grade ne Partynummer“, wie Simon & Jan sagen, ist dagegen zum Beispiel ein Lied über die deutsche Asylpolitik. Oder der Song „Hat sich nicht bewährt“, der zu leichter, lockerer Musik davor warnt, Verhaltensmuster aus der Zeit des Nationalsozialismus zu wiederholen.
Und selbst wenn Tausende vernünftig sind nach dem Motto, „Stell dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin“, mag das zutreffen, „bis auf irgendeinen Arsch, der dann doch wieder alles kaputt macht“.
Ja, die Ausdrucksweise muss manchmal drastisch sein, um Tatsachen zu untermauern, beispielsweise wenn es um Massentierhaltung, vergiftete Flüsse und abgeholzte Wälder geht. Rezepte für das „Alles wird gut“ bieten Simon & Jan nicht an, dafür aber das Lied mit dem entsprechenden Refrain, den das Publikum schließlich wie ein Mantra fast in Endlosschleife wiederholt. Statt Tipps zu geben, führen die beiden Tatsachen ins Feld, zu denen jeder sich seine eigene Meinung bilden und dementsprechend auch handeln kann. Und sei es nur, dass er seine eigene Position und das Privileg, in einem Land wie unserem geboren zu sein, einmal überdenkt und sich nicht auf den Standpunkt stellt: „Ich lass die ganze Scheiße einfach gar nicht an mich ran. Weil ich kann.“
Es gibt aber auch die richtig netten Lieder. Lieder, die in Reimen auf deutsche Städte deren Urlaubswert hinterfragen beispielsweise, oder das zärtliche Trinklied „Sauf mit mir die ganze Nacht.“ Da ist nach vier Bier übrigens Schluss. So mancher Pfälzer, kam es aus dem Publikum, ist da anderes gewohnt.
Quelle
Ausgabe | Die Rheinpfalz Mittelhaardter Rundschau – Nr. 259 |
Datum | Dienstag, den 8. November 2022 |
Seite | 15 |