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Argumente? Wozu, wenn man eh recht hat?

Kultur Regional

Musikkabarettist Michael Krebs zu Gast im Herrenhof

Von Anja Benndorf

Man hätte ihn schon am 19. März im Mußbacher Herrenhof erleben können. Doch Michael Krebs hatte Sorge, etwas zu verpassen: Corona. Deshalb war der Musikkabarettist erst am Freitag zu Gast und bot dem Publikum einen äußerst unterhaltsamen Abend mit seinem Programm „#BeYourSelfie“.

„Ich musste im Frühjahr leider absagen“, entschuldigt sich Michael Krebs dafür, dass er erst mit sechs Monaten Verspätung auf der „Kabarettissimo“-Bühne steht, springt und sitzt. Er habe so viel von Covid-19 gehört, „und ich wollte nicht der Letzte sein“. Die Pandemie hat den Endvierziger in Katzen-T-Shirt, Jeans und Turnschuhen, dem man sein Alter nicht wirklich ansieht, ziemlich beschäftigt. Er widmet ihr viel Raum in seinem Programm. „Ich hatte ein bisschen Zeit“, sinniert er und fragt in die Runde: „Und was habt ihr die zweieinhalb Jahre gemacht?“ Die ersten Lacher sind ihm sicher. Man denke ja, man würde etwas verpassen, wenn man nur daheim hockt, sagt er. „Aber ich hab nichts verpasst. Nur Corona. Aber das hab ich ja nachgeholt.“

Er sei oft sehr spät, stellt der Kleinkünstler, der sein erstes Soloprogramm 2004 „Vom Wunderkind zum Spätentwickler“ nannte, fest. Das Internet habe er auch erst in der Auszeit richtig entdeckt. Online habe er das Klavierspielen neu gelernt, witzelt der studierte Jazz-Pianist, der die Tasten mal streichelt und dann wieder malträtiert. Und er habe Livestreams produziert. Seine „Zuschauendinnen“, versucht sich Krebs im Gendern, habe er gebeten, ihm Wörter (und ein bisschen Geld) zu spenden – gegen das Versprechen, die eingereichten Begriffe in Liedern zu verarbeiten. Urkomisch sind die Ergebnisse, die dem kreativen Hirn des Wahl-Berliners entsprungen sind. Die einzigen Musiker, die während der Lockdowns durchgespielt haben? Na, die Krematoriumspianisten natürlich! Die begleiten mit Klängen von Schumann und Chopin die Einäscherung. 

Gibt es nicht? „Leider können die, die ihre Existenz bezeugen können, nicht mehr reden“, erklärt Krebs achselzuckend und spielt zu seiner skurrilen Geschichte eine traurige Melodie. Denn der Krematoriumspianist, der unglücklich verliebt ist in die Klavierstimmerin, erliegt seinem gebrochenen Herzen. „Ist schon krass, dass der da so stirbt. Aber ich hab’s schon gewusst, als ich anfing, über ihn zu schreiben“, sagt der vielfach ausgezeichnete Kabarettist, der bei zahlreichen Fernsehshows mitwirkte. Seit 2015 bildet er mit dem Poetry-Slammer Julius Fischer und dem Känguru-Versteher Marc-Uwe Kling die Rockband „Arbeitsgruppe Zukunft“. Mit dabei sind Bassist Boris und Drummer Oheim, die mit Krebs wiederum als Trio „Pommesgabeln des Todes“ auf Tour gehen.

Früher habe er immer einen Plan für die Auftritte gehabt, erzählt die musikalische Quasselstrippe. „Aber ich hab mich von der Corona-Politik inspirieren lassen und weiterentwickelt. Ich spiele ein Lied, gucke wie die Stimmung im Saal, also die Inzidenz, ist und dann beschließe ich die nächste Maßnahme.“ Es folgt ein zaghafter Applaus. Der gebürtige Schwabe greift den „Beileidsbeifall“ auf und baut einen Gag drum herum. Letztendlich könne er ja froh sein, dass jemand klatscht, wenn er seine Eigenkompositionen vorträgt, „Christian Lindner passiert das nicht“. Ein Song handelt von dem Wiedersehen mit einem alten Bekannten, der sich dann als Corona-Leugner entpuppt. In einem anderen Lied thematisiert Krebs, der eine fantastische und voluminöse Stimme hat, die Herausforderungen bei Zoom-Konferenzen. Dabei stolpert er von einem Genre ins nächste, beherrscht Blues ebenso wie Rock, Hip Hop, Jazz, Funk, Klassik und Rap – und bietet als Meisterstück im fliegenden Wechsel ein Ego-Pop-Potpourri aus 15 bis 20 Liedern: Da springt er jeweils nach wenigen Takten beispielsweise von „Das Beste“ (Silbermond) zu „Applaus, Applaus“ (Sportfreunde Stiller), landet irgendwann bei „Your Song“ (Elton John), „Simply The Best“ (Tina Turner) und „Verdammt, ich lieb dich“ (Matthias Reim), wobei er jede Zeile so umdichtet, dass sie sich auf ihn bezieht. Nach der vollen Dröhnung Egozentrik streckt er sich, baut sich strahlend am Bühnenrand auf und ruft: „Das gibt Kraft!“ Er habe immer versucht, zu verstehen und Argumente auszutauschen, jetzt aber wisse er schon zu Beginn der Diskussion, dass er recht habe. Ohne Zugabe kommt der kritisch-witzige Geist nicht davon. 

Quelle

AusgabeDie Rheinpfalz Mittelhaardter Rundschau – Nr. 218
DatumMontag, den 19. September 2022
Seite22

Michael Krebs
16.09.2022

Corona, Klima und Kojoten 

Kultur Regional

Was bei der Kleinkunstreihe „Kabarettissimo“ im Mußbacher Herrenhof für das zweite Halbjahr geplant ist

Von Regina Wilhelm

„Alles wird gut“ – diesen Titel des Programms von Simon & Jan möchte man am liebsten der gesamten Kulturszene zurufen. Hoffentlich wird und bleibt alles gut im kommenden Herbst und Winter. Denn nur dann haben die Künstler eine Gewähr für ein Aus- und Einkommen und die Zuschauer eine für gute Unterhaltung. Das Liedermacher-Duo vom Niederrhein sowie einige andere bekannte Gesichter geben sich im zweiten Halbjahr in der Reihe „Kabarettissimo“ im Herrenhof Mußbach ein Stelldichein.

Zum Saisonauftakt wird zunächst am Freitag, 16. September, Michael Krebs, im Festsaal erwartet. „Das ist ein Nachholtermin vom März. Da war der Künstler leider an Corona erkrankt, und wir mussten den Abend absagen“, sagt Uwe Kreitmann, Begründer und Hauptverantwortlicher bei „Kabarettissimo“. Das Programm, das der „Altrocker Krebs“ im Gepäck habe, sei unverändert – es heißt „#Beyourselfie“. Der studierte Jazzmusiker, „der sich natürlich selbst am Flügel begleitet“, sei von etlichen Fernsehauftritten her bekannt. „Und er war auch schon einige Male bei uns“, bekräftigt Kreitmann. Krebs schaue genau hin, was sich in der Welt und in der Gesellschaft so abspiele und mache sich darüber lustig. Als Krebs’sche Markenzeichen nennt er bissige Texte voller Ironie und schwarzem Humor. Kreitmann spricht von „Comedy mit Tiefgang“. Dass einem mitunter das Lachen im Halse stecken bleibe, nehme der Künstler gern in Kauf. Die für die März-Vorstellung erworbenen Karten sind weiterhin gültig, betont Kreitmann. Es sind aber trotzdem noch freie Plätze vorhanden.

HG. Butzko kommt immer wieder gern nach Mußbach„Ach ja!“, so lautet der Titel seines ganz neuen Programms, das dieser Tage Premiere feiert. „Ach ja, der Butzko“ möchte sicherlich mancher „Kabarettissimo“-Besucher ergänzen. Denn der Mann mit dem sibyllinischen Kürzel HG. als Vornamen ist „fast mit jedem seiner Programme bei uns zu Gast gewesen“, sagt Kreitmann schmunzelnd. „Nein, 2020 nicht“, fügt er gleich hinzu. Als Wort- und politischer Kabarettist sei Butzko beim Publikum sehr beliebt, weiß der „Kabarettissimo“-Chef. Umgekehrt steuere der Gelsenkirchener gern die Pfalz an. „Wir finden meist schnell einen Termin.“ Dieses Mal, am Freitag, 23. September, geht es um den Vorwurf, dass die Erwachsenen die Welt von den Kindern geliehen hätten. Und diese fordern sie nun ein. Nein, wirklich? Was können wir denn zurückgeben? Was ist in den vergangenen 25 Jahren schiefgelaufen? Wie konnten wir derart über unsere Verhältnisse leben? Auf diese Fragen werde Butzko bestimmt treffende Antworten wissen, ist sich Uwe Kreitmann sicher.

Für Mai 2020 war Tina Häussermann angekündigt. Doch die Pandemie durchkreuzte auch diesen Plan. Nun wird die Künstlerin am 14. Oktober erwartet. „Supertina rettet die Welt“, heißt ihr Programm. Oh, là là, da hat sich jemand viel vorgenommen. Aber wer Häussermann kennt, weiß, dass sie ihre hehren Absichten mit einem Augenzwinkern transportiert. „Mit Empathie, Höflichkeit und Allmachtsphantasien rückt sie Corona, Klima und Kojoten auf den Leib“, heißt es in der Beschreibung. Ansonsten menschele es bei ihr aber ganz stark, sagt Kreitmann grinsend. Ihre selbst geschriebenen Lieder begleitet sie auf dem Flügel. Zwischen den Musikbeiträgen glänze Häussermann mit „einer nicht weniger gekonnt-komischen, spitzzüngigen Moderation“. Die Künstlerin ist ebenfalls schon mehrfach in Mußbach aufgetreten, früher hin und wieder auch im Duo mit Fabian Schläper.

Großes Open-Air im nächsten Sommer?

Das Jahr beschließen am 5. November dann „Simon und Jan“. „Die Jungs waren schon dreimal bei uns zu Gast, aber irgendwie habe ich sie aus den Augen verloren“, bekennt Kreitmann. Vor zwei Jahren habe er sie beim 3Sat-Festival in Frankfurt „sozusagen wiederentdeckt“. Er selbst finde die zwei „supergut“. Vor allem ihre sozialkritischen, politischen Lieder, die vor schwarzem Humor triefen, mag er. Es seien die starken Inhalte und die Musik, die ihn beeindruckten. „Das Duo ist eindeutig das anspruchsvollste auf der Bühne.“ 

Wegen der am 18. November startenden Fußball-Weltmeisterschaft sei in diesem Jahr schon im November Schluss, erklärt Kreitmann. Er könne und wolle nicht mit dem Fußball „in Konkurrenz treten“. Künftig, kündigt er an, werde es auch eine längere Sommerpause geben. Als Gründe nennt er einerseits die hohen Temperaturen im Festsaal, die mitunter heraufschallende, störende Musik von Veranstaltungen in der Umgebung sowie die Feste in der Region, die das Publikum abzögen. Eventuell gebe es in dieser Zeit aber Kabarett oder Musik im Freien für 600 bis 800 Zuschauer. „Die Technik haben wir bereits angeschafft.“ Noch sei aber „nichts Konkretes geplant“. 

Generell hält Uwe Kreitmann am bewährten Konzept fest: Es gibt Kleinigkeiten zu essen und Mußbacher Weine vor der Veranstaltung und in der Pause. Nach der neuen Sitzordnung finden insgesamt 190 Besucher im Festsaal Platz. Abos, sagt er, gebe es fast keine mehr. Neu ist, dass Karten nun auch über den Ticketservice Eventim zu buchen sind, „was für den Zuschauer, der selbst bundesweit reservieren kann, und auch für uns kleine Vorteile bringt“. Die Eintrittspreise sind unverändert geblieben. 

NOCH FRAGEN?

Alle Veranstaltungen finden im Festsaal im Kelterhaus des Herrenhofs in Neustadt-Mußbach statt. Die Freitagstermine beginnen, wie gehabt, um 20.30 Uhr, die am Samstag um 20 Uhr; Einlass ist jeweils ab 19 Uhr. Karten gibt es noch für alle Vorstellungen. Vorab erhältlich sind sie bei Tabak Weiss in Neustadt, online bei Eventim sowie unter www.kabarettissimo.de. 

Quelle

AusgabeDie Rheinpfalz Mittelhaardter Rundschau – Nr. 205
DatumSamstag, den 3. September 2022
Seite15