Von Regina Wilhelm
„Das Weihnachtsgeschäft lief hervorragend“, berichtet Uwe Kreitmann, der Leiter der „Kabarettissimo“-Kleinkunstreihe im Herrenhof. „Da gingen in der Tat schon die meisten Karten für Simone Solga weg.“ Das hat natürlich auch damit zu tun, „dass sie in unserer Region sehr bekannt ist“. Auch in der Mußbacher Reihe war die Kabarettistin aus Thüringen schon mehrfach zu Gast – seit 2004, als ihre Solokarriere nach langen Jahren als Ensemble-Mitglied der Leipziger Pfeffermühle und der Münchner Lach- und Schießgesellschaft so richtig durchzustarten begann, in regelmäßigen Abständen, zuletzt 2021. „Ist doch wahr!“ heißt nun das neue Programm, mit dem die 60-Jährige seit September auf Tour ist und am 20. Januar auch nach Neustadt kommt.
Simone Solga
liebt SaumagenDer Titel drückt schon die Empörungshaltung aus, mit der die Kabarettistin und Schauspielerin auf der Bühne unterwegs ist. Sie knöpfe sich, so Kreitmann, die Regierenden und ihre Politik vor, „nimmt sie alle auf die Schippe“, zeige auf, was ihrer Ansicht nach in diesem Land schief läuft, „nennt die Dinge einfach beim Namen“. Solga sei eine der wenigen Frauen, die bestes politisches Kabarett bieten. Und da sie mittlerweile recht berühmt sei, auch durch regelmäßige Auftritte im TV bei prominenten Kabarettsendungen wie „Nuhr im Ersten“ oder „Die Anstalt“, freue er sich umso mehr, dass sie nach wie vor „zu unseren treuesten Künstlern“ zählt. Vielleicht liege das auch daran, dass sie „so gern unseren Saumagen mag“, ergänzt er schmunzelnd.
Beim nächsten Termin der Reihe am 24. Februar versetzen sowohl der Name der Auftretenden wie die Überschrift spontan ins Grübeln: „Andreas Martin Hofmeir & Sidemann – Kein Aufwand! Teil 1“. Uwe Kreitmann klärt gerne auf. Ja, der Hofmeir, übrigens kein Unbekannter im Neustadter Raum, sei schon etwas eigenwillig. Barfuß und im Oktoberfest-Outfit verleugne der ausgebildete Tubist ganz gewiss nie seine bayerische Herkunft. Hofmeir sei aber nicht nur ein begnadeter Musiker, der in allen Genres zu Hause ist, 2013 einen Echo Klassik als „Instrumentalist des Jahres“ erhielt und eine Tuba-Professur am Mozarteum in Salzburg inne hat, sondern auch ein echter „Kabarettist und Kleinkünstler“ – im Stile von Karl Valentin und Gerhard Polt.
Aber wer sich hinter dem „Sidemann“ verbirgt? Das weiß auch Kreitmann nicht zu sagen. „Das wird eine Überraschung.“ Aber ganz sicher sei es jemand, der Hofmeir musikalisch begleite. Auf humoristische Art wird der von seinen Reisen und den Erfahrungen mit seinem nicht eben handlichen Blasinstrument erzählen. Kreitmann hatte Hofmeir einmal im Autoradio gehört. „Ich habe so gelacht, dass ich mich umgehend um einen Auftritt des Künstlers bei uns bemüht habe.“ Der Zusage machte die Pandemie dann einen Strich durch die Rechnung. Wegen Hofmeirs vollem Terminkalender „hatte ich die Hoffnung fast schon aufgegeben. Nun endlich klappt es“, meint er froh.
„Protestlieder
und Schmähsongs“20 Jahre – im Flug vergangen. So zumindest erscheint es dem Musikkabarettisten Michael Krebs. Mit seiner Jubiläumstour unter dem Motto „Da muss mehr kommen“ macht er am 13. April Station in Mußbach. Erstmals 2013 und seither immer mal wieder ergötzt der Wahl-Berliner das hiesige Publikum. Rückblickend wird er einige seiner persönlichen Highlights zum Besten geben, die sich auf Reisen, bei Auftritten oder in Hotelzimmern ereigneten. „Es wird bestimmt sehr lustig“, versichert der „Kabarettissimo“-Chef. In seinen Augen bietet Krebs, der seine selbst geschriebenen Songs am Flügel begleitet, anspruchsvolle Comedy. Ob wie schon einmal auch wieder ein Fanclub aus Krebs’ Heimatort Neu-Kupfer im baden-württembergischen Hohenlohekreis anreisen wird? Kreitmann ist gespannt.
Ebenfalls den „hochwertigen Flügel des Festsaals“ (Kreitmann) wird Sarah Hakenberg für ihre selbst geschriebenen und komponierten Lieder nutzen. Daneben will sich die 45-Jährige selbst auf Ukulele und Gitarre begleiten. Erwartet wird Hakenberg, die in Köln geboren wurde, aber in Oberbayern aufwuchs, im Herrenhof am 4. Mai mit ihrem Programm „Mut zur Tücke“, das „Protestlieder und Schmähsongs“ verspricht, „wobei sie wirklich kein Blatt vor den Mund nimmt“, wie Kreitmann betont. Auch sie war schon einmal vor einigen Jahren in Mußbach zu Gast: 2016 mit ihrem damals dritten Soloprogramm „Struwwelpeter reloaded“.
Ein kleines Revival
für die „Twotones“Das erste Halbjahr beschließt am 8. Juni ein Musikduo, das man in Neustadt kaum mehr vorzustellen braucht: die „Twotones“. Die Sängerin Anna Krämer und der Pianist Rainer Klundt, der ja auch aus Neustadt stammt, waren bis vor zehn Jahren fast so etwas wie Stammgäste bei „Kabarettissimo“. Doch inzwischen haben sich die beiden neuen Projekten zugewandt: Krämer ist als Mitglied des Vokal-Comedy-Ensembles „Die Schönen Mannheims“ gut im Geschäft, Klundt engagiert sich im Konzertmanagement. So bleibt für die „Twotones“ kaum noch Zeit. Umso mehr habe er sich gefreut, als Anna Krämer ein kleines Revival vorgeschlagen habe, erzählt Kreitmann. „Der Himmel ist oben!“ lautet der Titel ihres Musikkabarett-Programms, das Stücke ganz unterschiedlicher Genres mit tiefsinnigen, witzigen, selbstironischen oder auch mal sentimentalen Texten verspricht.
Ansonsten nichts Neues: Die Eintrittspreise bleiben stabil. Abos seien aber für das erste Halbjahr keine mehr zu haben, fürs zweite, das am 20. September mit einem Auftritt des Mentalmagiers Christoph Kuch startet, lohne es sich nachzufragen, so Kreitmann. Unverändert auch das gastronomische Angebot: Weiterhin gebe es vor Beginn und in der Pause Kleinigkeiten zum Essen und eine Auswahl an Mußbacher Weinen.
NOCH FRAGEN?
Alle Veranstaltungen finden im Festsaal im Kelterhaus des Herrenhofs in Neustadt-Mußbach statt und beginnen jeweils um 20 Uhr. Saalöffnung ist um 19 Uhr. Karten (24 oder 25 Euro zuzüglich Vorverkaufsgebühr) bei Tabak Weiss in Neustadt (06321/ 2942) sowie online mit Print@Home unter www.kabarettissimo.de/tickets.
Quelle
Ausgabe | Die Rheinpfalz Mittelhaardter Rundschau – Nr. 4 |
Datum | Freitag, den 5. Januar 2024 |
Seite | 15 |
Von Cosima Schade
Marco Tschirpke, der 1975 geborene Musikkabarettist und Lyriker, 2018 Deutscher Kleinkunstpreis, 2015 Spiegel Bestsellerautor mit dem Gedichtband „Frühling, Sommer, Herbst und Günther“ ist im Herrenhof kein Unbekannter, er ist schon mehrfach hier aufgetreten. So beginnt er dann auch seine „Show“: „Wer hat mich schonmal gesehen? “. Gut die Hälfte zeigt auf. „Wer hat mich zum letzten Mal gesehen“? Lacher.
Dann entschuldigt er sich, er entspräche gerade nicht seinem Schönheitsideal, vielleicht sei sein Zenit auch schon überschritten … die Bescheidenheit natürlich gespielt – so wie man bei all seinen Texten nie so recht weiß, was kommt, was ernst gemeint ist, was provozieren soll. Mal extrem ironisch, plötzliche überraschende Wendungen, während man nachdenkt, kommt schon wieder das nächste Lied, das nächste Gedicht- mit einem ganz anderen Thema.
So ist dann auch seine Einführung nicht ernst zu nehmen, in der er vorgibt, eine feste Struktur zu haben: „Für diejenigen, die eine Strichliste führen, ich werde 30 Lieder spielen, wir beginnen mit dem Neujahrsvorsatz vom letzten Jahr“.
Tschirpke ist bekannt für seine „Lapsuslieder“, kurze, gereimte Beiträge, begleitet von Klavier oder Ukulele. Jedes Werk für sich abgeschlossen. Passend zu den Sehgewohnheiten von Youtube, wo er einen eigenen Kanal unterhält.
Zwischen den Musikbeiträgen trägt er mit getragener Stimme seine Gedichte vor. Gedichte und Lieder führt er wiederum ein, indem er in Ductus und Tonfall einen Lyrikprofessor, Intellektuellen, Rezensenten nachahmt. „Das nächste Lied beginnt mit einer Dissonanz“: Sodann wird er dem Publikum gegenüber frech, was man dem charmant Blickenden verzeiht: „Ob Sie das als Dissonanz empfinden, ist eine Frage der Hörerfahrung“. Oder: „Wenn Sie das nicht kennen, ist das eine Frage des Bildungskanons“. Die Publikumsbeleidigung wird dann sofort wieder zurückgenommen, zugebend, dass die Zeiten eines allgemeinverbindlichen Bildungskanons vorbei seien.
Seine Texte sind teilweise Nonsens: „Es war eine Mutter, die hatte vier Kinder, Frühling, Sommer, Herbst und Günther. Der Frühling bringt Blumen, der Sommer bringt Klee, der Herbst bringt Trauben, und Günther schippt Schnee.“ Es folgen Texte mit einem Hauch Zeitkritik: „Ich habe den Zugang verloren zu meinem Kind“ traurig getragene Musik, „es kapselt sich ab, igelt sich ein, wird doch nichts Schlimmes sein“ – um dann die Wendung zu nehmen „ich mache seine Hausaufgaben, es ist ja nichts dabei, in Mathe stehe ich auf drei“. Jeder kennt ja diese überprotektiven Eltern.
Der sinnbildhaft Freizeitbeschäftigungen, bei denen man sein prestigeträchtiges Equipment zeigen kann: Vogelbeobachtung: „Wer reich ist, holt die Tiere sich mit dem Fernglas ran, wer arm ist, lockt die Vögel nur mit Brötchenkrümeln an“.
Neu – und das ist eine thematische Wendung, der Text noch unveröffentlicht, politische Kritik zum Thema Krieg und Ukraine: „Im Anton spukt ein Waffennarr, ich finde ihn, er mich bizarr. Wie viele Tote braucht er noch, um einzusehen, dass er doch von Anfang an im Irrtum war. Ein Staat, der solches Personal und Lobbyisten ohne Zahl in seine höchsten Gremien steckt, beweist nur seinen Grunddefekt: In ihm regiert das Kapital.“ Stille im Saal. Nicht ganz die übliche Meinungsmehrheit getroffen. Es folgen schnell andere Themen, der Verweis, dass er noch einen Gedichtband im Angebot hat für den „Giftschrank“, man solle ihn nur kaufen, wenn man seine Meinung teile. „Ich bin froh, dass Sie durchgehalten haben, sonst gibt’s viel Schwund, das Publikum bereinigt sich selbst“.
Zugabe, unpolitisch, der veränderte Schlager „Felicita“ von Al Bano und Romina Power begleitet vom Band- natürlich wieder mit einer überraschenden Wendung: Felicita ist ein Pferd. Auf die Frage, ob er plant, politischer zu werden, legt er sich nicht fest, möchte dies eigentlich politischen Kabarettisten überlassen. Aber mal sehen, er ist ja Meister der Wendungen.
Quelle
Ausgabe | Die Rheinpfalz Mittelhaardter Rundschau – Nr. 281 |
Datum | Montag, den 4. Dezember 2023 |
Seite | 22 |