Von Annegret Ries
Für alle, die nicht Anhänger von Political Correctness, Gendern und sonstigen Modeerscheinungen sind, war es ein unterhaltsamer und witziger Abend. Die, die politisch korrekt sind, gehen nicht zu einer Veranstaltung mit Mathias Tretter. Schließlich ist er ein „alter, weißer Mann“ und dazu noch Kabarettist.
Ein Kabarettist, wie es nicht mehr viele gibt, der politisch, witzig und amüsant ist, der keinen Klamauk braucht, um zu unterhalten, der sein Fähnchen nicht nach dem Wind ausrichtet und der etwas zu sagen hat. Als alten, weißen Mann bezeichnet der 51-Jährige sich selbst, er sei nicht nur das, er sei auch bürgerlicher Herkunft, heterosexuell und Wurstesser.
Damit sei er jemand, der „weg muss“, weiß Tretter. Wohin jemand, wie er muss, dass würden, die die das fordern, nie sagen. Tretter vermutet „weg“, das sei ein Umerziehungslager in China. Neben Klimaklebern, politisch Korrekten, Moralaposteln und Sprachpolizisten ist China eines der Lieblingsthemen des Kabarettisten.
Um China geht es häufig in den Gesprächen, die Mathias Tretter auf der Bühne mit seinem bayrischen Kumpel Ansgar führt. Ansgar, ein Philosoph, Kiffer, Altfreak und Dauer-Single, mit einer sechzehntel Stelle an der Uni hat neuerdings eine Freundin aus China. Tretter ist bei diesen Gesprächen nicht nur er selbst, sondern auch Ansgar, er wechselt übergangslos zwischen den Gesprächspartnern hin und her. Wenn man die Augen zumachen würde, würde man glauben, da unterhalten sich zwei Personen.
Ansgar und ein Stehtisch auf der Bühne sind die einzigen Elemente in dem Programm. Weiteres ist nicht notwendig, denn das, was Tretter sagt, reicht für hervorragendes Kabarett. Auch die Mimik und Gestik ist eher zurückhaltend, Tretter erzählt dem Publikum etwas und wie in einem ganz normalen Gespräch bewegt er dabei Gesichtszüge und Hände.
Tretter vergleicht die Erscheinungen der heutigen Zeit mit einer Zeit, die noch nicht lange her ist, den letzten Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts, ohne dabei altbacken oder wie ein Gestriger zu wirken. Er erzählt, wie er als Kind in einem bayrischen Dorf zum Bier holen geschickt wurde und keiner auf die Idee kam, dass das Kind dadurch einen Schaden erleiden könnte, wie es ganz normal war, wenn man sagte, was offensichtlich war, ohne Angst haben zu müssen, dadurch in irgendeine Ecke gestellt zu werden.
Dass es so etwas wie Covid gibt, hätte man in dieser früheren Zeit nicht erfahren, ist sich der Kabarettist sicher. Denn ein Bundeskanzler Helmut Schmidt hätte wegen einer chinesischen Mikrobe nicht die Wirtschaftskraft gefährdet. Der Dauer-Mentholzigaretten-Raucher Schmidt hätte höchstens mitgeteilt, dass er und Wissenschaftler einen Impfstoff mit Menthol gegen eine chinesische Mikrobe entwickelt haben.
Selbst Lachmuffel und schlecht Gelaunte müssen lachen, wenn Tretter beschreibt, wie sich die Bäckereiverkäuferin echauffiert, weil sie von einem Kunden als weibliche Person angesprochen wird, obwohl sie doch Teil der LGBTQ-Bewegung und außerdem traumatisiert ist, weil sie Brötchen anfassen muss, die aussehen, wie ein weibliches Geschlechtsorgan.
Oder wenn er erzählt, dass früher die Eltern den Partner ausgesucht haben und das jetzt der Algorithmus von Partnerbörsen im Internet übernimmt. Manchmal zeigt Tretter eine Portion schwarzen Humor, etwa wenn er erklärt, warum die Bedingungen von Call-Center-Mitarbeitern schlechter sind, als die von Sklaven – Sklaven wurden nur von einer Person, ihrem Besitzer, angebrüllt. Oder wenn er erklärt, warum die RAF cleverer war als Klimakleber – RAF-Mitglieder wären nie auf die Idee gekommen, sich am Tatort festzukleben.
Gelegentlich haut Tretter plötzlich witzige Sätze heraus, so bezeichnet er etwa E-Bikes als Gehhilfen von Radfahrern. Und manchmal kann man nur staunen, wie sich der Kabarettist philosophisch klingende Satzungetüme merken kann, die er in Gesprächen mit Ansgar äußert.
Er sei erkältet, entschuldigte sich Tretter zu Beginn des Programms beim Publikum. Außer ein paar Hustern merkte man davon nichts. Egal was Mathias Tretter macht und sagt, es ist gutes Kabarett auf einem hohen und unterhaltsamen Niveau. Das Publikum im Herrenhof war begeistert, wie der Beifall zeigte.
Quelle
Ausgabe | Die Rheinpfalz Mittelhaardter Rundschau – Nr. 269 |
Datum | Montag, den 20. November 2023 |
Seite | 19 |
Von Cosima Schade
Die Tischnachbarn, Stammgäste der ersten Stunde von Kabarettissimo im Herrenhof, Abonnenten, wie die Hälfte der 200 Zuschauer, sind voller Vorfreude auf den hyperaktiven Odenwälder mit dem Pferdeschwanz: „Gleich wird er wieder hin- und herrennen, aber der ist super.“ Sie haben ihn bereits bei seinen anderen Auftritten hier und auch im Fernsehen bei „Scheibenwischer“ und „Neues aus der Anstalt“ gesehen. Zunächst bleibt Weber aber mit ernster Miene ruhig stehen: Angesichts aktueller Katastrophen in der Welt – darf man im Kabarett lachen? Ja, es geht schließlich ums Essen, das muss man weiterhin und er blickt dabei ins essende und trinkende Publikum.
Um einen Übergang vom Politischen ins Private zu schaffen präsentiert er das 2007 erschienene Kochbuch „Das Parlament kocht“ von Ralf Frenzel. „Was kocht Merkel?“ Kohl. Und Olaf Scholz? Frühlingssuppe. Besser hätte wohl „armer Ritter“ zu ihm gepasst, witzelt der Comedian. Heute nutze er das Buch „zum Eier abschrecken“. Es stammt aus der Zeit, als Alfred Biolek Promi-Kochsendungen populär machte. Seitdem hat sich die Kochkultur verändert, auch Webers Programm, das es seit 2012 in stets aktualisierter Form gibt. Geblieben ist die „explosionsgetrocknete Tütensuppe“.
Ab jetzt rennt Weber wie erwartet auf der Bühne fortwährend hin und her, angetrieben von einem unglaublichen Witzturbo. Er ahmt einen 80er Jahre-Öko nach, als Bio noch nicht „in“, urban, Genuss war, sondern eher etwas für „blasse, verzichtsgeleitete Anthroposophen“, die er ausgiebig humoristisch beschreibt, holt dabei Tütensuppen aus seinem jutesackfarbenen Stoffbeutel und liest die Zutaten vor. Das Publikum soll raten um welche Suppe es sich handele. „Richtig. Zwiebelsuppe“. Zwiebelfrei mit „explosionsgetrocknetem Sellerie, reaktionsaromatisiertem Rindfleisch.“ Darauf folgt eine kurze Infotainment-Einlage des Comedians mit Chemie- und Biologiestudium über Zusatzstoffe und Absurditäten der Lebensmittelindustrie.
Alternative zur Astronautenkost: essen gehen. Aber wo? Deutsche, teutonische, fettige nordische, blutige Küche im „Rrrreichsadler“, Hitlerakzent nachahmend. Sushi – roher Fisch in kaltem Reis? Köttbullar von Ikea, die wie Elchköttel aussehen? Elegante französische Haxenpralinees? Fusionsküche, „Steckrübencarpaccio“ weil Steckrüben- „Uffschnitt“ banal klingen würde? Nächste Idee: Selbst kochen. Er gründet mit den Singles Bernd, Jürgen und Petra aus der „Elite Partner“-Vermittlung eine Slow-Food-Kochgruppe. Bio, nachhaltig, regional, frisch, ethisch rein solls sein. Allerdings kommt es nicht zum Kochen: einer hat „Chinarestaurantsyndrom“, verträgt also kein Glutamat, ein anderer ist auf Diät, hat „Zölllliakiii“ („dann bring sie doch mit“) oder ist Frutarier und isst nur, was die Natur freiwillig gibt. Besorgt lässt sich der Gastgeber vom „ökologischen Zentrum für exotische Essstörungen“ beraten. Schlussendlich sammeln sie im Dunkeln im Garten Nüsse – die gemäß Frutarierethik freiwillig vom Baum gefallen sind.
Er macht sich am Abend zwar auch über Veganer lustig: Seine Nichte habe ihn gefragt, ob er sich von seiner Blutwurst nicht übergeben müsse und antwortet darauf mit : „Im Gegensatz zu Deinem Quinoa-Auflauf bekomme ich das Zeug wenigstens vorher runter.“ Aber er hat Respekt vor ihrer Einstellung und der ihrer Generation. Er hält es für möglich, dass man in 20 Jahren keine „Veganerwitze“ mehr machen wird „wie die alten weißen Säcke“, er ist selbst 1974 geboren, sondern „Fleischerwitze“. Weil Geschmack und was eine Gesellschaft für essbar hält, dem kulturellen Wandel unterliegt. Er verweist auf den Ernährungsreport des Bundesministeriums für Landwirtschaft und Ernährung, nach dem besonders die jüngeren Leute und gebildete Schichten weniger Fleisch essen. Der Focus liegt auf Gesundheit und Geschmack. Weber erklärt zudem, dass „echte“ Nahrungsmittelunverträglichkeiten tatsächlich zugenommen haben, verursacht durch die industrielle Lebensmittelherstellung.
Der Abend endet versöhnlich: Man solle einfach nach Bauchgefühl essen. In diesem Sinne auch die Zugabe: Ein Ausschnitt seines Programms „Durst – Warten auf Merlot“ über einen betrunkenen Piloten. Zum Brüllen. Comedy pur. Prost!
Quelle
Ausgabe | Die Rheinpfalz Mittelhaardter Rundschau – Nr. 240 |
Datum | Montag, den 16. Oktober 2023 |
Seite | 19 |